“Den autoritären Stil gewählt”

Rechtsruck in Österreich: Wie es nun weitergeht, erklärt Politologin Stainer-Hämmerle.
Wien Die Wähler haben am Sonntag die Schwelle zur dritten Republik nicht überschritten. Dafür hätten ÖVP und FPÖ bei der Wahl schon eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erreichen müssen. Tiefgreifende Veränderungen in der Verfassung sind somit nicht zu erwarten, trotz des nun manifestierten Rechtsrucks in Österreich, erklärt Politologin und VN-Kommentatorin Kathrin Stainer-Hämmerle: „Neben den inhaltlichen Fragen ist das Ergebnis ein deutliches Signal, dass ein autoritärerer Stil in der Politik gewünscht ist.“
Kurz hält alle Optionen offen
Doch wie geht es weiter? ÖVP-Chef Sebastian Kurz kündigte bereits an, mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien Gespräche über eine Regierungsbildung führen zu wollen, sollte er dafür den Auftrag des Bundespräsidenten erhalten. Dass Schwarz-Blau bereits entschiedene Sache ist, glaubt Stainer-Hämmerle nicht. Zuerst seien die anstehenden Personalentscheidungen abzuwarten: „Wird sich nichts ändern, wird es wohl kaum eine schwarz-rote Koalition geben.“ Damit blieben die Freiheitlichen als möglicher Partner übrig. Rechnerisch wäre auch Rot-Blau möglich. Dieser Variante stehe aber ein relativ großer Stolperstein im Weg; nämlich die von der SPÖ angekündigte Urabstimmung, meint Stainer-Hämmerle: „Ob sich die FPÖ den sozialdemokratischen Parteimitgliedern ausliefern möchte, ist fraglich und ein hohes Risiko für die Partei.“
Während der freiheitliche Obmann Heinz-Christian Strache auch nach der Wahl seiner Warnung vor Schwarz-Rot am Sonntag treu geblieben ist, hielt Kern daran fest, nicht des Regierens wegen regieren zu wollen. Der Politik möchte der Noch-Kanzler jedenfalls treu bleiben. „Meine Gegner werden weitere neun Jahre mit mir auskommen müssen. Ich habe zugesagt, zehn Jahre in der Politik zu bleiben und nun ist erst ein Jahr vergangen.“ Da die Programme von ÖVP und FPÖ nahezu ident seien, werde der SPÖ künftig eine wichtige Rolle zukommen, einen Gegenpol gegen die Orbanisierung Österreichs zu setzen. Die Zugewinne der FPÖ sind laut Stainer-Hämmerle aber weniger durch ihr neues Programm zu erklären, sondern vielmehr durch die gesellschaftliche Grundstimmung.
Staatsmännische Blaue
Ebenso sei das deutlich staatsmännischere Auftreten der freiheitlichen Parteispitze maßgeblich gewesen. Während ihr Grundton bei Interviews oder Debatten sanfter geworden ist, blieb die FPÖ im direkten Kontakt mit der Basis aber ihrer traditionell härteren Ausdrucksweise treu. „Es war sozusagen eine Doppelstrategie“, erklärt die Vorarlberger Politikwissenschafterin. Gleichzeitig habe auch der europaweite Trend hin zu mehr rechtspopulistischen Regierungsbeteiligungen zu dem Ergebnis beigetragen. Von einem fulminanten Sieg kann dennoch nicht gesprochen werden. Platz eins blieb der FPÖ verwehrt. Sollte es Strache dieses Mal nicht in die Regierung schaffen, werde er nur schwer ein weiteres Mal als Herausforderer antreten können, meint Stainer-Hämmerle. Allerdings wären ohne Bundesregierungsverantwortung die Erfolgschancen auf Landesebene größer, was wiederum auf Kosten der Grünen gehen könnte.
Pilz sorgte für grünes Desaster
Die Partei um Ulrike Lunacek muss auf Bundesebene bangen. Ob sie die für den Nationalratseinzug notwendige Vier-Prozent-Hürde überschreitet, wird sich mit der Auszählung der Wahlkarten zeigen. Gleich wie es ausgeht, das Ergebnis ist ein Desaster für die Grünen. „Es ist aber unfair, wenn man die Stimmen von Peter Pilz nicht mitzählt. Er hat ihnen am meisten Schaden zugefügt“, erklärt die VN-Kommentatorin. Ähnlich sieht das Lunacek: „Es ist schade, dass es zur Abspaltung gekommen ist, gemeinsam hätten wir viel mehr erreichen können. Vor allem in der ersten Hälfte des Jahres ist bei uns viel schiefgelaufen.“ Laut Stainer-Hämmerle kommt hinzu, dass die Grünen zu wenig auf ihre bekannten Gesichter gesetzt hätten und ihnen „ein bisschen die Jugend verloren gegangen ist“.
Die Neos können hingegen bei jungen Wählern punkten. Sie haben sich mit ihrem Wiedereinzug in den Nationalrat als politische Kraft etabliert. „Für eine liberale Partei gibt es in Österreich ein Potenzial von etwa sieben bis acht Prozent. Lange Zeit hat sich das Liberale Forum darum bemüht, jetzt sind es die Neos“, sagt Stainer-Hämmerle. Dass sich die Pinken an einer Regierung beteiligen werden, ist ausgeschlossen. Parteichef Matthias Strolz erklärte, nicht das fünfte Rad am Wagen sein zu wollen. Österreich attestiert er einen Rechtsruck, der dem Land nicht guttut: „Wir gehen einen Schritt in Richtung eines autoritären Staatsverständnisses.“
„Ob sich die FPÖ den SPÖ-Mitgliedern ausliefern möchte, ist fraglich und ein hohes Risiko für die Partei.“
Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle (48) kommentiert in den VN wöchentlich das politische Geschehen in Österreich. Die gebürtige Lustenauerin ist außerdem Professorin für Politikwissenschaften an der Fachhochschule Kärnten.