Der Wein, der die Toskana veränderte

Spezial / 11.01.2018 • 20:34 Uhr

Dornbirn Der Name „Supertuscan“ ist unmittelbar mit dem Namen Piero Antinori verbunden, dem Erben einer italienischen Weindynastie, die seit dem Jahre 1385 im Weinbau und -handel tätig ist. In der langen Geschichte des Unternehmens gab es Höhen und Tiefen. Das heutige Renommee und der weltweite Bekanntheitsgrad von Marchesi Antinori ist Piero Antinori zu verdanken, der die Krise des Chiantis in den 1960er- und 70er-Jahren nutzte, um mit einer neuen Weinstilistik den Ruf des Chiantis zu retten. Piero Antinori war überzeugt, dass aus dem Chianti-Classico-Gebiet großartige Weine entstehen können, und das zu einer Zeit, in der der Chianti aus Korbflaschen weltweit zum Inbegriff des italienischen Weins wurde. Mitten in der stärksten Krise des toskanischen Weinbaus schafft er die Grundlage für die Erneuerung. Giacomo Tachis, ein junger Önologe aus dem Piemont, den Pieros Vater 1961 einstellt, trägt wesentlich dazu bei. Er experimentiert mit temperaturkontrollierter Gärung, mit dem Ausbau in unterschiedlichen Fässern und einer längeren Flaschenreife. Gleichzeitig verändert er die Traubenmischung für den Chianti, die zu diesem Zeitpunkt aus Sangiovese, Canaiolo nero und bis zu 30 Prozent aus den Weißweinrebsorten Malvasia oder Trebbiano besteht.

Biologischer Säureabbau

Schon 1970 führen Antinori und Tachis einen biologischen Säureabbau durch und bauen die ersten Weine in Barriquefässern aus, um ihnen mehr Aromen und Farbe zu verleihen. Während die meisten Erzeuger keinen Wert auf Qualität legen, präsentiert Piero Antinori 1970 seinen ersten Lagenwein aus dem Chianti-Classico-Gebiet. Der „Chianti Classico Riserva vigneto Tignanello“ besteht zu 75 Prozent aus Sangiovese, zu 20 Prozent aus Canaiolo und nur zu fünf Prozent aus Trebbiano und Malvasia. 1971 kommt der Nachfolger des „Riserva Tignanello“ auf den Markt, aber nicht mehr als Chianti Classico Riserva sondern als „Vino da Tavola“ mit der Herkunftsbezeichnung „Tignanello“, weil Piero Antinori dem Tignanello Cabernet Sauvignon beifügt, eine Traubensorte, die im gesetzlich vorgeschriebenen Rebsortenspiegel des Chianti-Gebietes nicht enthalten ist. Von Beginn an begeistert der Wein die Fachwelt. Weingutsbesitzer wie Frescobaldi, Fontodi, Felsina oder Poliziano folgen dem Trend und erzeugen hochwertige Weine aus internationalen Rebsorten, sogenannte „Supertuscans“.

Bis zum Jahr 1982 verändern Antinori und Tachis jährlich die Zusammensetzung des Tignanellos, um mit einer entsprechenden Cuvetierung das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Erst ab 1982 wird der Tignanello aus 80 Prozent Sangiovese, 15 Prozent Cabernet Sauvignon und fünf Prozent Cabernet Franc cuvetiert. Die Einzellage „Tignanello“ mit ihren 57 Hektar Rebfläche ist Teil der Tenuta di Tignanello, die seit dem 19. Jahrhundert im Familiebesitz der Antinoris ist. Die in der Nähe des Dorfes Montefiridolfi gelegenen Weinberge liegen auf 350 bis 400 Meter Seehöhe. Die Reben wachsen auf kalkhaltigen, mit Tuffgestein durchsetzten Böden, die reich an Mineralien sind. Die Kargheit des Bodens und die damit verbundene Ertragsbegrenzung bewirken eine Konzentration der Aromen. Durch das vorherrschende Mikroklima und die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht kommt das Terroir noch mehr zum Tragen. Die Weingärten werden sorgfältig und behutsam bearbeitet, die Lese erfolgt von Hand, gleichzeitig werden die Trauben selektioniert. Nur die Besten werden für die Vinifizierung verwendet. Die Gärung der Trauben findet in einem speziellen, kegelförmigen Tank statt, mit dem Ziel, Frucht, Farbstoffe, feine Tannine und Eleganz zu erhalten. Nach der Maischegärung werden die Rebsortenweine in unterschiedlichen Barriques aus französischer und ungarischer Eiche ausgebaut. Nach zwölf bis 14 Monaten erfolgt die Cuvetierung der Weine. In Jahren, in denen keine Topqualitäten erzeugt werden können, wird Tignanello nicht produziert.

Eine Tignanello-Vertikale

1983 Mit einem mittleren Rubinrot und ausgeprägten Aromen nach Karamell, roten Beeren, Foie gras und Würze ist der Wein in der Nase sehr animierend. Am Gaumen wirken die Tannine aufgrund des Alters leicht austrocknend, ein Teil der Komplexität ist verlorengegangen.

1985 Schon in der Nase wirkt der Wein frischer als der 83er, mit Sauerkirsch­aromen, Vanille, Veilchen, mit feinem Tannin und mehr Präsenz am Gaumen.

1986 Der 86er punktet mit saftigen Tanninen, mit Randignoten, Karamell und Würze in der Nase, er ist gut ausbalanciert, die Verweildauer am Gaumen ist relativ kurz.

1988 Der Tignanello hat eine kräftige rubinrote Farbe, einen aufgehellten Rand mit dunklem Kern, Steinpilze, Kaffee, Wermuthkraut und dunkle Beeren in der Nase, gut strukturierte Tannine und einen mittleren Abgang.

1990 Ein ausgezeichneter Jahrgang. Der Wein hat intensive Würzaromen, Maccina und dunkle Beeren, feinkörnige Tannine, Komplexität und Vielschichtigkeit am Gaumen und einen langen Abgang.

1994 Der Wein zeigt sich sehr jugendlich, mit Kaffee, Vanille, dunklen Beeren und roter Johannisbeere in der Nase, mit einer guten Säure- und Tanninstruktur und einem anhaltenden Abgang.

1997 Würze, Thymian, Wermuth sind vorherrschend, die Tannine sind samtig, der Abgang ist mittellang. Der Wein ist am Höhepunkt, hat ihn aber noch nicht überschritten.

1998 Der 98er ist sehr aromaintensiv; dunkles Karamell, Steinpilze, gebrannte Nüsse, starkes Toasting, präsente Tannine, viel Würze und feine Reifenoten am Gaumen, er punktet mit einem langen Abgang.

1999 Hier zeigt sich die Aromatik reifer Rotweine, mit Lakritze, Maccinaaromen, Rosmarin, dunklen Beeren. Am Gaumen wirkt der Wein straff und jugendlich, mit saftigen Tanninen.

Fazit Bis zurück zum Jahr 1983 zeigt sich das Potenzial eines Tignanello: würzige Tertiäraromatik gepaart mit Beerenfrucht, straffen Tanninen am Gaumen, Komplexität und Länge. Alle Weine präsentieren sich mit schönen Reifenoten, manche noch mit jugendlicher Frische. Jeder einzelne Wein macht Spaß zum Trinken.

Ursula Schnell ist Weinakademikerin und Sommelière an Schulen. An der HLW Rankweil unterrichtet sie Küche, Service und Ernährungslehre.