Hubert Nagel: Vom Austria-Präsidenten zum Spielerberater

Sport / 25.05.2020 • 09:00 Uhr
Hubert Nagel: Vom Austria-Präsidenten zum Spielerberater
Hubert Nagel im Interview mit VN-Sportchef Christian Adam. PAULITSCH

Kurz vor dem Cupfinale 2020 spricht der 69-Jährige über Fehler und sein neues “Hobby”. Seine Agentur berät Spieler wie Ronivaldo, Danilo Soares oder Dragan Marceta.

Lustenau Neun Jahre werden es am Freitag (29. 5.) sein, da die Austria Lustenau am 29. Mai 2011 erst- und bislang letztmals in einem Finale des ÖFB-Uniqa-Cups stand. Einer, der sich durchaus Chancen auf den Erfolg ausgerechnet hatte, Ex-Präsident Hubert Nagel, erinnert sich im Gespräch mit VN.at an das bisherige Cup-Highlight der Vereinsgeschichte. Der 69-Jährige erzählt, warum es damals – 0:2 gegen Ried – nicht klappte und was er der Mannschaft im Endspiel gegen RB Salzburg zutraut.

Herr Nagel, Sie haben die Geschichte des Klubs maßgeblich mitgeschrieben. Welche persönlichen Erinnerungen haben Sie an das Finale von 2011?

Durchaus ambivalente. Einerseits war es natürlich das absolute Highlight, schon der Weg ins Finale war unglaublich, weil sicherlich steiniger als in dieser Saison. Damals musste nicht nur ein Bundesligist ausgeschaltet werden, sondern mit Kapfenberg und Tabellenführer Austria Wien, wo wir 4:0 gewannen, gleich zwei. Dementsprechend war die Erwartungshaltung höher. Ja, wir hatten uns durchaus Chancen ausgerechnet. Natürlich ist auch heute im Fußball alles möglich. Man kann gegen Salzburg auch gewinnen, aber wohl nur einmal in 100 Spielen. Dieser Chance muss man sich bewusst sein. 2011 sind wir mit der Hoffnung ins Finale gegangen, dass es das i-Tüpfchen gibt. Leider hat es im Umfeld zu unruhig, was uns schließlich den Cupsieg gekostet hat.

Wenn Sie von Unruhe sprechen, meinen Sie damit die Verhandlungen um die Cupprämie?

Genau. Die Spieler hatten den Kopf mehr bei den Prämien-Verhandlungen als beim Finale. Ich habe Ihnen immer gesagt: Glaubt mir, wenn ihr das Spiel gewinnt, tun sich für euch ganz andere Türen auf. Dann reden wir nicht mehr von der Finalprämie, dann sind wir im Europacup, dann steigt auch euer Marktwert. So aber war es eine schwierige Geschichte. Dabei hätte ich ihnen eine stolze Prämie bei einem Sieg versprochen, doch sie wollten unbedingt eine Auflaufprämie. Und so war die Stimmung einfach nicht so, wie sie vor einem Finale hätte sein sollen.

Haben Sie insofern Lehren daraus gezogen, dass Sie heute als Präsident anders handeln würden?

Nein, das würde ich nicht. Auch wenn ich damals ein Ultimatum gestellt habe. Bis zum Nachmittag am Finaltag mussten die Spieler mir sagen, ob sie mit der Regelung einverstanden sind. Es waren dann auch alle mit an Bord, die Stimmung war allerdings nicht euphorisch. Auch die Rolle von Edi Stöhr hat mir damals nicht gefallen. Dabei möchte ich schon betonen, dass er immer mein Nummer-eins-Trainer war. Ansonsten hätte ich ihn auch nicht dreimal geholt. Wir sind mit ihm ins Finale gekommen, wir sind mit ihm aufgestiegen und wir sind mit ihm nicht abgestiegen.

Mehr als ein Jahr ist nun seit Ihrem Rücktritt als Austria-Präsident vergangen. Was ist Ihnen geblieben aus mehr als drei Jahrzehnten Arbeit für den Klub?

Unglaublich viele schöne Erinnerungen, viele Freundschaften, eine Vielzahl an Bekanntschaften aus dem Fußballgeschäft. Die Austria war der erste Klub im Land mit außergewöhnlichen Gewinnspielen, mit VIP- oder Schnellballkarten, mit Verlosungen von Gönnern. Das Austria-Dorf ist heute noch legendär. Rapid hat uns damals kopiert, aus Köln ist Toni Schumacher angereist, aus Bremen Robert Lemke. Auch in Ried haben sie versucht, ein “Dorf” beim Stadion zu installieren. Ich denke, dass der Fußball in Vorarlberg von unserer Arbeit insgesamt profitiert hat. Fußball als Event ist heute normal. Unser Klub war in vielerlei Hinsicht Impulsgeber. Selbst der FC hat in Lustenau von der Austria profitiert. Heute haben sie im Nachwuchs die Austria mit ihren Aktionen rund um die Schülerhilfe überholt. Das war schon so zu meiner Zeit als Präsident.

Eines müssen Sie uns jetzt verraten: Es hat immer geheißen, Hubert Nagel holt sich einen Trainer, bei dem er in Sachen Aufstellung mitreden kann?

Ein absoluter Blödsinn. Wenn ich mitreden hätte können, hätte ich den Trainer nicht geholt. Wichtig war mir einfach, sportlich dieselbe Philosophie zu haben. Ein Edi Stöhr etwa hat mir nie nach dem Mund geredet. Für mich hat er auch Pavao zu wenig eingesetzt. Wir hatten Trainer, die Ervin Zukanovic, der später bei der AS Roma gespielt hat, nicht aufgestellt haben. Oder einen Philipp Roller, der Teamspieler in Thailand ist. Wie im Geschäftsleben auch, bin ich im Fußball ein Instinktmensch gewesen. Da ist nicht immer alles rational erklär. Zurück zur Frage mit den Trainern, wo es natürlich Fehlgriffe gab. Aber nach meiner Idee hat keiner aufstellen müssen.

Edi Stöhr war Ihr Lieblingstrainer. Wie würden Sie ihn kurz beschreiben?

Er war der typisch Deutsche, sehr konsequent. Allerdings konnte er auch gut mit Spieler. Etwa mit Gerald Messlender, der am Ende seiner Karriere zu uns kam. Edi hat ihn im Training für die Spiele geschont. Oder Andreas Lipa, dem ein schlechter Ruf vorausgeeilt war. Stöhr hat aus dem jungen Angeber einen richtigen Profi geformt, weil er ihm Disziplin beigebracht hat. Später war er gar Trauzeuge bei Lipa.

Fußball

Spielerberatungsagentur Nagel & Partner

Unter Vertrag sind:
Ronivaldo (31/SC Austria Lustenau)

Danilo Soares (28/VfL Bochum)

Leo Mikic (23/Kapfenberger SV)

Kristijan Makovec (24/Kapfenberger SV)

Richard Willian de Souza Valério (18/LASK, Leihe an SC Austria Lustenau)

Matheus Pereira Barbosa (21/SC Austria Lustenau)

Wallace Menezes dos Santos (21/SC Austria Lustenau)

Lucas Barbosa (24/GAK)

Dragan Marceta (20/SC Austria Lustenau, Leihe an SK Vorwärts Steyr)

Welche Fehler werfen Sie sich in all der Zeit vor?

Natürlich habe ich Fehler gemacht, auch wenn ich generell alles noch einmal so machen würde. Aber im Detail gab es natürlich einige Fehleinschätzungen. Etwa bei den Stronach-Millionen. In der Sache hatte ich recht, aber im Nachhinein gesehen war ich einfach zu stolz. Das Geld nicht anzunehmen, war ein Fehler. Ich hätte es auch anders angelegt, wäre nicht so viel Risiko eingegangen. Bei Trainern und Spielern waren ebenfalls Fehlgriffe dabei. Als Fehler würde ich eine solche Wahl erst dann bezeichnen, wenn ich aufgrund von Historien skeptischer hätte sein sollen.

Wie hat sich der Fußball in all Jahren verändert?

Geld spielt immer noch mehr eine noch größere Rolle. Die große Klubtreue bei Spielern gibt es heute kaum mehr. Für mich aber durchaus nachvollziehbar, denn es gibt auch dafür nicht mehr Dankbarkeit. Vielmehr bleibt das Gefühl, vielleicht etwas versäumt zu haben. Deshalb würde ich heute jedem Spieler anraten: Wenn er wirklich eine gute Chance hat, dann muss er sie auch nützen. Um auf die Austria zurückzukommen. Ich würde keinem raten, wegen 500 Euro mehr nach Lafnitz oder Steyr zu wechseln. Wenn er sich aber wirklich verbessern kann, in der Bundesliga oder im Ausland, dann soll er es auch probieren.

Diesbezüglich dürfte wohl auch eine Rolle spielen, dass Sie als ehemaliger Klubpräsident nun als Spielerberater arbeiten?

Eigentlich ist es mir mehr darum gegangen, dass wir eine Truppe von Freunden sind und Fußball unsere Leidenschaft ist. Nur Thiago ist im operativen Geschäft und bezieht auch einen Lohn. Der Anfang war natürlich holprig, nicht zuletzt durch die Coronavirus-Pandemie. Die weltweiten Einschränkungen machen eine Beratung schwieriger. Bestes Beispiel ist Ronivaldo: Hat er die letzte Chance, noch einmal richtig Geld zu verdienen, um sich in Brasilien eine Existenz aufzubauen, dann muss er es tun. Es muss sich finanziell rentieren, egal ob in Südkorea, Türkei oder in Griechenland. Ansonsten soll er lieber bei der Austria bleiben. Er hat Thiago, er kann die Sprache, er steht kurz vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft.

Aber als Berater wollen Sie doch auch Geld verdienen?

Es ist absolut nicht vordergründig. Ansonsten würde ich wohl keine Firma mit zehn Teilhabern aufmachen. Unbestreitbar ist natürlich: Geld zu verdienen, macht Spaß – in jedem Job.

Hubert Nagel ist noch immer mit viel Emotionen bei seiner Austria dabei. <span class="copyright">Paulitsch</span>
Hubert Nagel ist noch immer mit viel Emotionen bei seiner Austria dabei. Paulitsch

Ihre Meinung zur Situation der Austria Lustenau wenige Tage vor dem Cupfinale?

Gewinnen Sie das Finale, sind sie in der Gruppenphase der Europa League, dann haben sie viel Geld. Ansonsten wird es finanziell sicherlich schwerer, natürlich auch coronabedingt. Da komme ich auch auf die unsinnige Ligareform zurück. Wenn man aus 20 Profivereinen 28 macht, ist es für mich nicht nachvollziehbar. Auch wenn die 2. Liga als Anhängsel gesehen wird. Mein Rat an die Austria: Es braucht eine klare Nummer eins im Vorstand. Es braucht kurze Wege, das ist wichtig.

Abschließend: Wo schauen Sie das Cupfinale an?

Zu Hause im Fernsehen. Natürlich sind Emotionen dabei. Ich gebe auch gerne zu, dass ich mich nicht mehr gänzlich unbefangen über Austria Siege freue. Weil ich es nicht mehr jedem gönne. Dem Trainer, den Spielern und vielen anderen sehr wohl, aber – das gebe ich gerne zu – bei manchem freue ich mich weniger.