Warum der Liga-Endspurt eher einem Turnier gleicht

Altachs Sportdirektor Christian Möckel (47) im VN.at-Interview über die spezielle Strategie für das Finish und die Pläne mit Philipp Netzer und Sidney Sam.
Wien Erstaunlich: Seit unserem letzten großen VN.at-Interview mit Christian Möckel hat Altach nur ein Bundesligamatch bestritten – das Geisterspiel am Dienstag in Mattersburg. Dazwischen liegen aber fast drei Monate und die Coronakrise. Genug Stoff für ein spannendes neues Frage-Antwortspiel.
Herr Möckel, seit unserem letzten Gespräch hat sich in Personalfragen viel getan.
Ja, wir haben die Verträge mit Trainer Alex Pastoor und Tartarotti verlängert. Wir haben bei Karic und Fischer die Optionen gezogen.
Wie sieht es bei Philipp Netzer aus?
Mit „Pippo“ haben wir klar besprochen, dass es mit ihm im Verein weitergeht. Aber in welcher Form, ob als Kaderspieler, Standby-Profi, in einer Betreuerrolle, wie auch immer – da warten wir die Saison noch ab. Er hatte ja jetzt wieder einen kleinen Rückschlag, der Oberschenkelmuskel hat zugemacht. Er muss das Gefühl haben, wichtig zu sein für die Mannschaft. Das ist er ja als Typ. Er ist der Kapitän, hat auch ein gewichtiges Wort in der Kabine, was für uns ein großer Vorteil wäre. Wenn Pippo Netzer fit ist, ist er immer eine Option – keine Frage.
Auch bei Sam läuft der Vertrag aus.
Ich würde nicht komplett ausschließen, dass er bleibt. Wir tun alles dafür, hätten ihn gern langfristig. Er ist 32, hat sicher noch zwei gute Jahre vor sich. Er macht sich halt auch wegen der Familie Gedanken, ob Vorarlberg der neue Fixpunkt sein kann.
Zehn Spiele in so kurzer Zeit, lauter englische Runden. Wie geht man damit um?
Es geht hier auch um die Kaderbreite, weil es kann nicht jeder Spieler alle Partien 90 Minuten spielen. Der körperliche Zustand der Mannschaft wird gerade hinten raus sehr wichtig sein. Ich denke, da sind wir sehr gut aufgestellt. Das Trainerteam hat sich viele Gedanken gemacht. Wir haben uns dazu auch intern schon eine Strategie überlegt.
Wie sieht die aus?
Zum Beispiel: Wenn du in der Halbzeit wie gegen Mattersburg zwei wechselst, hast du schon vier Spieler, die nur eine Halbzeit gespielt haben. Das bringt natürlich Reserven für die nächsten Partien.
Man muss diese Spiele jetzt auch wie einen eigenen Wettkampf sehen. Nicht wie normale Ligaspiele, sondern eher wie ein Turnier mit einem langfristigen Ziel. Dazu gibt es Matchpläne, gegen welchen Gegner brauchst du welchen Spieler.
Wie gut ist man in der Kadertiefe dafür aufgestellt?
Gut. Wir haben uns da durch die Transfers im Winter verbessert. Wir mussten ja sogar für die Mattersburg-Reise ein paar zuhause lassen, obwohl sie fit sind. Wie Netzer, Anderson, Pangop und Jamnig. Der Trainer hat das gut eingestellt und klargemacht, dass nicht jeder alle Spiele machen kann. Es geht hier nicht um Eitelkeiten, sondern unser Ziel, wie wir da am besten hinkommen.
Wenn man einen Sam für Meilinger bringen kann, ist das schon Qualität.
Ja. Andere Einwechslungen auch – ob Oum Gouet, Fischer oder Nussbaumer. Das sind Trümpfe. Wir können richtig gut durchwechseln ohne Qualitätsverlust und das Verletzungsrisiko minimieren. Es bleibt aber auch die Motivation hoch, weil viele Einsatzzeit kriegen.
Wie sieht der Transferplan für den Sommer aus?
22 Spieler haben bereits einen Vertrag für nächste Saison – ein gesundes Gerüst. Vielleicht wird durch Abgänge noch Budget frei. Wir brauchen wohl ein bis zwei Mittelstürmer, weil Gebauer und Villalba werden uns Stand jetzt verlassen.
Bei den Torleuten Ozegovic und Durakovic laufen die Verträge aus. Wie gefiel Ihnen Ozegovic bei seinem zweiten Bundesligaspiel?
Er hat gegen Mattersburg keinen Fehler gemacht. Das war eine deutliche Steigerung zum Admira-Match. Wichtig ist, dass man dann so eine Qualität über eine ganze Saison zeigt. Aber er ist noch jung. Wir werden vermutlich nur mit drei Tormännern in die nächste Saison gehen. Deshalb ist es ein offenes Duell zwischen Ozegovic und Durakovic.
“Solidarität wurde mit den Füßen getreten”
Wie geht es Altach mit den finanziellen Einbußen durch die Coronakrise?
Es wird eine Herausforderung. Wir haben auch einen relativ großen Kader mit vielen langfristigen Verträgen. Da ist das Einsparpotenzial also gering.
Auf der andere Seiten haben sicher einige Sponsoren von euch zu kämpfen.
Klar. Unser Hauptsponsor Cashpoint hat große Verluste, dadurch dass so lange keine Fußballspiele waren. Man wird sehen, wie sich das entwickelt. Diese und nächste Saison werden wir wohl zwischen 500.000 und 1 Million Euro Verlust machen. Die müssen wir halt irgendwann auffangen. Die letzten zehn Jahre hatten wir nur einmal ein Minus. Jetzt müssen wir halt auch mal ins Risiko gehen, einen Kredit aufnehmen. Da sind wir vernünftig unterwegs. Aber klar ist, wir werden das Geld nicht vorne und hinten rausschmeißen können.
Was sagen Sie zur Strafe gegen den LASK?
Ich finde dieses Vergehen sehr schade. Wir hatten viele Klubkonferenzen, wo es darum ging, dass alle gleichberechtigt sind. Und dann nach Ausreden zu suchen, um sich einen Wettkampfvorteil zu erschleichen. Ich kann auch nicht auf der Autobahn mit 300 fahren und dann sagen, war eh keiner da, hätte eh keinen verletzten oder einen Unfall bauen können. Es gibt Regeln, daran muss man sich halten. Und gerade im Sport ist die Fairness und Solidarität wichtig. Das sollte man nicht mit Füßen treten. Deshalb sind sie zurecht bestraft worden. Wir haben uns von Tag 1 an diese Vorlagen gehalten, haben das nie diskutiert. Einfach der Fairness halber. Warum sollten wir etwas anderes dürfen als die anderen? So zu denken, finde ich falsch.
Sportlich hat der LASK aber gezeigt, wie man mit weniger Mitteln auch Red Bull fordert. Kann das auch Altach als Vorbild dienen?
Sicher. Der LASK war vor zwei Jahren noch in der 2. Liga. Sie haben sehr gut gearbeitet mit Transfers und Trainerentscheidungen. Das kann Altach auch. Durch die Krise ist es nicht einfacher geworden. Aber wir haben nach wie vor Ziele. Wir wollen viel erreichen. Da müssen wir halt zaubern ein bissl (lacht).
Sie sagen, was der LASK kann, kann Altach auch. Was heißt das konkret?
Sie sind aufgestiegen und haben oben mit fast derselben Mannschaft gespielt und sich nur punktuell verstärken müssen. Viele Spieler haben sich extrem entwickelt. Durch die Qualität der Spieler, die dazugeholt wurden, aber auch die gute Arbeit des Trainerteams. Ich habe mit Valerien Ismael in Nürnberg zusammengearbeitet, kenne und schätze ihn als Mensch sehr. Ich weiß, was er kann und dass er am richtigen Ort ist. Der Hauptgrund für ihren Erfolg und wie sie spielen, ist aber die Mentalität, der Charakter der Spieler, wie sie als Einheit auftreten. Das ist kein Hexenwerk oder Zauberei. Das ist vernünftig und seriös mit viel Erfahrung und Intelligenz geplant. Das ist kein Modell, das wir nicht auch so umsetzen könnten.
Der LASK oder Salzburg stehen für eine gewisse Philosophie.
Das ist ja auch das Ziel, wo wir hin wollen, dass man nach außen sieht, wofür steht Altach, dass wir einen gepflegten Fußball spielen und nicht so leicht zu bezwingen sind, mit einer gewissen Stabilität. Es geht auch um die Spielfreude. Wenn ich an unsere Spiele gegen Sturm oder Red Bull Salzburg denke, wo wir herrlich Fußball gespielt haben: Das ist einfach das, was wir uns als Verein an die Fahnen heften wollen. Da passt Alex Pastoor perfekt dazu, daher auch die Vertragsverlängerung. Wir haben die gleichen Ideen und Ansätze. Man soll einfach sehen, SCR Altach steht für diesen Fußball, auch wenn der Trainer oder ich mal nicht mehr da sein sollten.