„French Connection“

Austria Lustenaus Leihspieler aus Clermont konnten bis dato überzeugen.
Lustenau Die Kooperation zwischen dem österreichischen Zweitligisten Austria Lustenau und seinem Pendant in Frankreich, Clermont Foot, besteht seit dem Sommer 2019. Doch der Klub aus der Auvergne, bei dem der Schweizer Ahmet Schaefer Präsident und Geldgeber ist, hat erst im Sommer 2020 seine Zusammenarbeit mit den Grün-Weißen intensiviert, indem man vier junge Talente aus dem Kader Clermonts in die Marktgemeinde lotste. Brandon Baiye, Blankson Anoff, Till Cissokho und Nael Jaby wurden im Sommer als Verstärkungen vorgestellt. Schäfer ging bei der Präsentation sogar so weit, zu sagen, „dass sie in den Matches den Unterschied ausmachen müssen. Dafür haben wir sie von Clermont nach Lustenau ausgeliehen“. Die VN haben die „French Connection“ über die letzten Monate genau beobachtet.
Großer Teamspirit
Sah man zu Beginn der Saison noch nicht viel von den Fähigkeiten der Youngsters, muss man sich heute als neutraler Beobachter eingestehen: Schäfer hat nicht zu viel versprochen. Jeder Einzelne hat innerhalb der letzten Wochen und Monate gezeigt, welch Talent in ihm steckt. Allen voran Brandon Baiye. Der zentrale Mittelfeldspieler ragt aus dem Quartett heraus. Blickt man auf seinen Werdegang, ist dies nur zu verständlich. Die Jugend beim Club Brügge verbracht, alle Nachwuchs-Nationalteams Belgiens durchschritten und sogar zwei Einsätze für die Kampfmannschaft von Brügge stehen in seiner noch jungen Vita. Mit jeder Partie im grünen Trikot der Austria kommt das große Talent mehr zum Tragen. Längst ist er Fixstarter, zeigt neben Christoph Freitag im zentralen Mittelfeld große körperliche Präsenz und reißt das Team in schweren Situationen mit. „Ich habe mich bei der Austria sehr schnell eingelebt. Es war aber sicher von Vorteil, dass wir als Quartett gekommen sind, wir konnten uns untereinander unterstützen. Aber auch der Rest der Mannschaft hat es uns leicht gemacht. Hier herrscht ein toller Teamspirit“, so Baiye, der in Dornbirn neben Cissokho und Jaby eine Wohnung bezogen hat. Groß an die Zukunft denkt Baiye aktuell nicht, für ihn stehen die letzten Spiele der Herbstsaison im Fokus. „Der Rest kommt dann von alleine. Ich versuche, so oft wie möglich meine besten Leistungen abzurufen. Dabei unterstützt mich auch der Trainer, dessen Anweisungen ich dann am Platz umsetzen möchte.“
Fokus voll bei der Austria
Ebenfalls nicht mehr aus der Stammelf wegzudenken ist Cissokho. Wirkte der zwei Meter große Innenverteidiger zum Saisonstart noch hölzern, hat er mittlerweile gezeigt, welch Fähigkeiten in ihm stecken. Bei hohen Bällen fast unüberwindbar und in den Zweikämpfen extrem präsent, ließ er auch oftmals seine technische Finesse aufblitzen. Mit Nebenmann und Routinier Matthias Maak hat der Deutsch-Franzose, der von der U16 bis zur U18 in allen Nationalteams von Frankreich spielte, einen kongenialen Partner gefunden. „Die Routine von Matthias hilft mir natürlich, er vermittelt Ruhe und Gelassenheit. Alles in allem sehe ich eine gute Mischung bei uns im Team. Viele junge Spieler, die mit den Routiniers super auskommen“, erklärt Cissokho, dem Vorarlberg ein wenig an die Region rund um Clermont – die Auvergne – erinnert. „Ich hatte vor dem Engagement keine Ahnung von Vorarlberg, aber seit dem ersten Tag fühle ich mich richtig wohl hier“, so der Verteidiger. Gedanken an eine frühzeitige Rückkehr nach Frankreich hat er nicht: „Jetzt heißt es nochmal alles rausholen für die letzten Spiele im Jahr. Dann eine gute Vorbereitung absolvieren, um im Frühjahr weiter angreifen zu können“.
Rohdiamanten
Der zweite Franzose, Jaby (19), ist der jüngste der vier Clermont-Kooperationsspieler. Aber mit dem wohl größten technischen Potential. Noch im Sommer kickte er für Frankreichs U19-Nationalteam. Bei seinen bisherigen Einsätzen konnte man gut beobachten, was alles an fußballerisches Feingefühl in ihm steckt. Wenig Abspielfehler, ein gutes Auge für den Mitspieler und einen ganz feinen Fuß bei Standardsituationen. Legt der 19-Jährige körperlich noch zu und akklimatisiert sich im Profifussball, wird er der Austria noch viel Freude bereiten können. Die Integration ins Team ging bei ihm rasant schnell, „weil die anderen drei vor mir da waren. Es ist sicher ein Vorteil, denn Heimweh kommt da nicht auf“. An der Verständigung arbeitet der Edeltechniker eifrig, sein Deutsch ist „noch ausbaufähig. Aber zum Glück sprechen alle hier Englisch“, erklärt Jaby, für den Spielpraxis die oberste Priorität hat. „Ich möchte mich hier beweisen und vor allem der Austria helfen. So zu mehr Erfahrung kommen, die mir dann bei einer etwaigen Rückkehr nach Clermont helfen soll.“ Das Engagement bei der Austria sieht der Rohdiamant keinesfalls als Rückschritt in seiner Laufbahn. „Für mich war der Schritt nach
Lustenau ein logischer Prozess meiner Karriereplanung. Hier kann ich mir Minuten am Platz holen, denn ein weiteres Jahr ohne regelmäßige Spiele wäre nicht gut für mich gewesen. Deshalb bin ich sehr froh über die Kooperation zwischen Lustenau und Clermont“, so Jaby.
Kulturelle Unterschiede
Der Vierte der „French Connection“ ist Blankson Anoff. Der Außenstürmer aus Ghana erzielte schon zwei Tore für die Austria, sorgte mit seiner Schnelligkeit und Frechheit am Platz immer für Überraschungen im Spiel der Elf von Trainer Alexander Kiene. Beeindruckend allemal, wie schnell sich der Afrikaner ins Team integriert und sich mit den neuen kulturellen Bedingungen arrangiert hat. Man darf nicht vergessen: Lustenau ist nach Clermont erst die zweite Station in Europa für den 19-Jährigen. „Die kulturellen Unterschiede zwischen meiner Heimat Ghana und Frankreich bzw. Österreich sind natürlich groß. Aber ich bin ein interessierter Mensch, schaue mir alles an und versuche die verschiedenen Verhaltensweisen der Menschen hier verstehen zu lernen und mich auch anzupassen“, gibt Anoff preis. Beim Thema aktuelles Wetter und Kälte kommt dem Youngster ein Lächeln aus. „Das Wetter ist in Ghana besser. Aber im Endeffekt ist das ja komplett egal. Wir Fußballer müssen bei jeglichen Bedingungen versuchen, unsere besten Leistungen abzuliefern“, so der Stürmer.
Trainer Alexander Kiene freut sich vor allem über die stetige Entwicklung der „vier Musketiere“. „Sie haben bis jetzt einen guten Weg bestritten. Natürlich ist noch Luft nach oben, das sind ja junge Burschen. Und man darf nicht vergessen: Sie mussten sich alle erst akklimatisieren“, so der Coach, der gleichzeitig appelliert, „dass sie weiterhin so gierig bleiben, sich weiter entwickeln wollen und bereit sind zu lernen. Nur dann kann was werden mit einer schönen Karriere“. Herausheben will er explizit keinen der vier. „Das sind alle tolle Jungs.“
