Katharina Liensberger im Interview: Gute Rennen als beste Vorbereitung für die Olympischen Spiele

Sport / 21.10.2021 • 02:30 Uhr
Katharina Liensberger im Interview: Gute Rennen als beste Vorbereitung für die Olympischen Spiele
Konzentration und extremer Druck auf den Ski, Katharina Liensberger zeigte sich in Sölden beim Riesentorlauftraining schon toll in Form. gepa

Österreichs Aushängeschild bei den Ski-Damen, Katharina Liensberger (24), ist es wichtig, die Prioritäten richtig zu setzen, sodass der sportliche Bereich im Fokus steht.

Rankweil Nach einer Saison, in der ein Höhepunkt den nächsten jagte, beginnt für Katharina Liensberger in Sölden der „Winter danach“. Wie die 24-Jährige den Spagat zwischen Jubel, Trubel, Heiterkeit und Konzentration auf das Wesentliche schaffte und welche Ziele sie verfolgt, erzählt sich im VN-Interview.

Wie haben Sie Platz drei bei der österreichischen Sportlerwahl aufgenommen?
Ich betrachte es als große Ehre, gemeinsam mit Anna Kiesenhofer und Lisa Hauser auf dem Podium der österreichischen Sportlerwahl des Jahres zu stehen. Anna hat mit ihrem Olympiasieg das Land begeistert und auch Lisas Weltmeistertitel im Biathlon war eine überragende Leistung. Ich bin sehr glücklich über meinen dritten Platz und gehe entsprechend motiviert in die neue Saison.

Geben Sie uns bitte einen Einblick in den Sommer. Wie sehr waren die vielen Feiern, Auftritte, Sponsorentermine nach den Erfolgen bei der WM und im Weltcup belastend?
Die Erfolge der vergangenen Saison berühren mich nach wie vor und erfüllen mich mit grosser Dankbarkeit. Das Interesse an meiner Person hat nach diesen Erfolgen sicherlich noch einmal zugenommen. Es geht für mich primär darum, meine Prioritäten richtig zu setzen, so dass der sportliche Bereich im Fokus bleibt.

Glauben Sie, dass die jüngsten Erfolge Sie als Mensch oder als Skifahrerin verändert haben?
Der Skisport ist für mich in erster Linie Begeisterung. Ich setze mir zum Ziel, an meinem leistungsmäßigen Potenzial zu arbeiten und mich in vielen Bereichen zu verbessern. Die Erfolge der vergangenen Saison sind für mich als Skifahrerin insofern bedeutsam, als sie mir die Gewissheit geben, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Dies gibt mir ein Grundvertrauen, das hilfreich ist, um auch in Zukunft Bestleistungen zu erbringen. Ich denke nicht, dass mich die jüngsten Erfolge als Mensch verändert haben, doch sie werden mich wohl erfahrener machen.

Gab es bei einem Urlaub Zeit, ein wenig länger abzuschalten? Wie wichtig war das nach dem körperlichen und emotionalen Stress der Vorsaison?
Ich habe viel Zeit im Vorarlberg und in den Bergen verbracht, war Wandern und viel auf dem Bike, Tennis spielen und klettern. Leider war der Sommer ja ziemlich nass. Aber auch an Regentagen gibt es immer einen Grund zu lächeln und glücklich zu sein. Eine Woche war ich auf einer griechischen Insel in den Ferien. Ich habe diese Zeit sehr genossen, hatte viel Spaß bei den verschiedensten Sportarten, war Klettern, habe viel Wassersport betrieben, und genoss die wunderschönen Sonnenuntergänge am Meer.

Wie intensiv war das Training auf die neue Saison, wie viele Kurse haben Sie absolviert, was stand in der Vorbereitung auf die neue Saison im Mittelpunkt?
Wir haben sehr intensiv gearbeitet, vor allem auch im konditionellen Bereich. Mitte Mai haben wir bereits wieder auf Schnee in Sölden trainiert. Dazwischen gab es immer wieder Konditionsblöcke, unter anderem auch im Olympiazentrum Vorarlberg, wobei die Trainings sehr abwechslungsreise gestaltet waren. Anfangs September haben wir dann bei besten Bedingungen auf den Gletschern in Zermatt und Saas Fee trainiert und nun bereiten wir uns auf dem Saisonauftakt in Sölden vor.

Haben Sie im Training Veränderungen vorgenommen oder auf Vertrautes gesetzt?
Große Änderungen zum Vorjahr gab es nicht. Die Erfolge der vergangenen Saison haben mir gezeigt, dass das Material und das Setup stimmen. Entsprechend habe ich ja auch meinen Vertrag mit meinem Skihersteller, Rossignol, um drei Jahre verlängert. Natürlich versuchen wir stets das Material und die Abstimmung zu optimieren.

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Wie viele Trainingstage sind Sie auf Ski gestanden und wo?
Wir haben vor allem auf den Gletschern in Sölden, Zermatt und Saas Fee trainiert. Insgesamt habe ich in der Saisonvorbereitung wohl etwa 50 Schneetage absolviert. Die genauen Aufzeichnungen führen unsere Trainer.

Auf welcher Disziplin lagen die Schwerpunkte?
Der Schwerpunkt lag wie üblich in den technischen Disziplinen. Ziel muss es sein, dass ich im Slalom an die Leistungen der vergangenen Saison anknüpfen und diese auf hohem Niveau bestätigen kann. Im Riesentorlauf gilt es den Abstand zur Spitze weiter zu verkleinern und möglichst oft in die Spitze zu fahren.

Sie gehen erstmals als die Nummer eins im Slalom-Weltcup an den Start, vor Vlhova und Shiffrin. Wie fühlt sich das an?
Mikaela Shiffrin und Petra Vlhova sind zwei Topathletinnen. Petra und Mika sind unglaublich starke Slalomläuferinnen. Sie sind auf einem Toplevel. Mir macht es extrem Spaß, gemeinsam mit ihnen Rennen zu fahren.

Aus der einstigen Jägerin Katharina Liensberger ist die Gejagte geworden. Wie gehen Sie mit der neuen Rolle um?
Das Team der Topathletinnen ist sehr groß und wird sich zum Saisonbeginn noch einmal verstärken. Gedanklich beschäftige ich mich aber nicht mit vergangenen Erfolgen oder dem Erfolgsdruck, sondern mit meiner skifahrerischen Leistung und da kann ich noch vieles verbessern. Es gilt diese Verbesserungen Schritt für Schritt umzusetzen, dann wird sich dies auch in meiner Leistung niederschlagen.

Haben Sie sich ein wenig erkundigt, wie Ihre Kontrahentinnen in Form sind?
Mein Fokus liegt auf jedem einzelnen Rennen und da versuche ich stets, die bestmögliche Leistung abzurufen. In diesem Sinne ist auch das Motto auf meiner Website zu verstehen: Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein. Und so arbeite ich jeden Tag konsequent daran, mich zu verbessern und besser zu werden.

Gibt es im Training einen ersten Schritt in Richtung Speed-Disziplinen, sprich Super G?
Mein Fokus liegt derzeit ganz auf den technischen Disziplinen. Die Speed- Disziplinen sind derzeit noch kein Thema.

Wird die Mama nach der Pandemiesaison bei den Rennen heuer und evtl. auch bei den Olympischen Spielen wieder live vor Ort sein?
Die letzten zwei Saisons standen stark unter dem Einfluss der Corona-Pandemie – das hat einiges verändert, nicht nur in der Vorbereitung und im Rennkalender, auch psychologisch. Ich erwarte für die kommende Saison eine Art von Normalisierung. Vorhersagen sind im aktuellen Umfeld aber schwierig. Ich bin sehr glücklich, dass wir zum Saisonauftakt in Sölden wieder vor Zuschauern starten können. Dies hat mir in der vergangenen Saison gefehlt. Ob und inwieweit meine Familie an den Rennen dabei sein wird, werden wir dann sehen.

Was haben Sie für ein Ziel im Riesentorlauf in Sölden ausgegeben?
Auch heuer ist es coronabedingt nicht selbstverständlich, dass wir überhaupt Skirennen fahren können. Umso mehr ist es auch mein Ziel am 23.Oktober am Rettenbachferner am Start zu stehen. Ich möchte mit ganzem Herzen diesen
anspruchsvollen Hang hinunterfahren und all die Fans spüren, die vor Ort sind. Mein Ziel ist es, mein bisher bestes Ergebnis in Sölden mit einer Platzierung
unter den Top 15 zu verbessern.

Olympische Winterspiele oder Weltcup, was wiegt mehr in dieser Saison?
Meine Vorbereitung ist auf die gesamte Saison ausgerichtet und nicht auf einzelne Wettkämpfe oder Rennen. Es finden vor und nach den Olympischen Spielen wichtige Rennen statt, bei denen ich ebenfalls Bestleistungen erbringen möchte. Natürlich hat man als Athletin die Olympischen Spiele irgendwo im
Hinterkopf, aber erst einmal steht der Saisonauftakt in Sölden im Fokus. Es gilt nun an den Leistungen der vergangenen Saison anzuknüpfen, möglichst viele gute Rennen zu fahren und mich im Riesentorlauf gleichzeitig weiter nach vorne zu arbeiten. Das ist dann gleichzeitig auch die beste Vorbereitung für die
Olympischen Spiele.

Im November wartet der Heimweltcup in Zürs. Wie groß ist die Vorfreude?
Riesig. Ein Heimweltcup-Rennen ist stets etwas Besonderes. Ich freue mich natürlich über alle Zuschauer und jeden der mir in Zürs die Daumen drücken wird.