“In keinster Weise geht es um Macht”

Der inzwischen 54-jährige Olympiasieger und heutige Unternehmer spricht im VN-Interview über seine Arbeit, angedachte Veränderungen im Ski-Rennsport und den Weltcup Lech-Zürs.
Lech Die Fahrt nach Lech über den Flexenpass gibt einen Blick frei auf die schon fertig präparierte Weltcuppiste. Die durch die Wolken brechende Sonne lässt die Flexenarena, wo dieser Tage das Start- und Zielgelände aufgebaut wird, erstrahlen. Und die Vorfreude auf die Parallelrennen am Samstag und Sonntag ist auch Patrick Ortlieb anzusehen. Der Hausherr des Hotels Montana in Oberlech gibt im großen VN-Interview auch Einblicke in angedachte Veränderungen im Ski-Rennsport und in seine Arbeit als ÖSV-Finanzreferent.

Das Wochenende mit dem Parallel-Weltcup in Zürs steht vor der Tür. Wie schauen die Erwartungen des OK-Chefs für die Veranstaltung aus?
Die Voraussetzungen sind gegeben. Das Wetter wird gut, die Piste ist in einem Top-Zustand. Neu ist für uns, dass wir Zuschauer dabei haben. Es wird aber nicht wie in Sölden, wo es teilweise extrem zugegangen ist.
Mit der Übernahme des Finanzreferats bei den Wahlen des neuen Präsidiums und dem Vorsitz im Skipool haben Sie sich einiges an Arbeit aufgehalst.
Jein. Ich habe da bereits seit einigen Jahren viel zusammen mit Peter Schröcksnadel gemacht. Er hat mir schon sehr viel an Wissen weitergegeben. Ich war öfters bei Verhandlungen mit Vermarktungsagenturen dabei oder als es um die Rechte bei Fernsehverträgen gegangen ist. Vieles davon sind langfristige Geschichten, die über mehrere Jahre laufen. Meine Termine werden zusammen mit dem ÖSV vorbereitet, oft mit Geschäftsführer Christian Scherer. Daneben gibt es den Skipool als komplett ausgelagerter Verein mit Zulieferern und Ausrüstern, die das Material für unsere Athleten stellen und damit werben dürfen. Da habe ich interimsmäßig den Vorsitz übernommen, nachdem Christian Poley altersbedingt zurückgetreten ist. Neuwahlen stehen nächstes Jahr an. Dann gibt es die ÖSV-Group mit sechs Gesellschaften, die nichts anderes zu tun haben, als Geld zu verdienen. Dazu gehören etwa der Bergiselbetrieb in Innsbruck oder die Bundesski-Akademie in St. Christoph. Daneben organisieren die ASVG (Anm. d. Red.: Austria Ski Vermarktungs GmbH) die verschiedenen Sportbewerbe alpin und nordisch, eine Großveranstaltungs GmbH u. a. die Weltmeisterschaften am Kulm und in Saalbach. Darüber steht dann noch die ÖSV-Holding. In diesen Bereichen heißen die Geschäftsführer Scherer und Ortlieb. Alles, was dabei finanziell herausschaut, geht in den Sport, diese Gelder schütten wir an die Sportler aus.
Damit sind Sie eigentlich die mächtigste Person im österreichischen Skisport.
Es geht nicht um Macht. Der Skiverband ist ein Verein, Eigentümer sind die Mitglieder. Wir sind ein ganz normaler Verein mit Strukturen, mit einer Obfrau namens Roswitha Stadlober, einem Präsidium und einem Finanzreferenten.
Wie ist der Übergang des Finanzressorts von Peter Mennel zu Patrick Ortlieb verlaufen?
Da ist ein perfekt organisiertes Büro in Innsbruck mit einer Finanz- und einer Controlling-Abteilung als Ansprechpartner. Peter Mennel ist ein Vollprofi durch und durch, ein Finanzer und Sportfunktionär seit Jahren, der den Job aus dem Effeff und mit Argusaugen gemacht hat. Der Unterschied ist: Peter Schröcksnadel hat alles selber gemacht. Er war Präsident und Geschäftsführer aller Gesellschaften. Das war mehr als ein Fulltimejob. Er ist ein wohlhabender Pensionist, hatte die Zeit und hat das bis in die letzte Faser gelebt. Die Aufgaben wurden aufgeteilt: auf das Repräsentative, das nimmt Roswitha wahr, und auf die kaufmännische Ebene, die bei mir liegt. Meine Aufgabe ist zudem die Verantwortung über die Alpinen. Für den alpinen Rennsport ist Patrick Riml verantwortlich. Sportdirektor über alle Rennsport-Sparten, also Nordisch, Snowboard, Freestyle etc., ist Toni Giger.
Wie nehmen Sie diese Aufgabe wahr?
Die einfache Antwort: Das muss man nicht wahrnehmen, wenn es läuft. Ich habe das in den Meetings mit den alpinen Rennverantwortlichen besprochen. Da gibt es Hierarchien, die einzuhalten sind. Wenn es einmal ein Problem gibt, dann braucht es mich. Und bis nach Olympia gibt es keine Sportdiskussion. Einen Tag danach setzen wir uns zusammen, analysieren und sagen klar, wie es weitergeht – bis zur WM in Saalbach.
Wie schwer wiegt der Pool-Ausstieg von Wirtschaftskammer und Sportministerium, die jeweils das Budget mit 500.000 Euro dotierten?
Der Ausstieg wurde mit Ende Saison 2021/22 angekündigt. Vorweg gesagt: Es ist nicht das erste Mal. Es sind Gespräche mit beiden Institution am Laufen. Wir schauen, wie sie wieder ins Boot kommen. Die Republik, die Wirtschaftskammer und der ÖSV sind Eigentürmer des Skipools. Die Frage ist, über welche Schiene die Förderungen zu laufen haben. Die Gespräche sehen gut aus.
Wie groß ist das Budget?
Das ist eine Frage der Betrachtung. Belassen wir es beim Sport. Dafür wenden wir 34 Millionen auf. Da kommt nach die Administration dazu und die medizinische Betreuung. Die 40 Serviceleute sind da aber nicht dabei.
Es gibt im alpinen Rennsport ein Paket an Dingen, die zuletzt beim Internationalen Skiverband in Diskussion gekommen sind. Das geht von der Sicherheit bis hin zu Skirennen in der Halle. Was sieht der ÖSV die Bemühungen?
Diese Themen geht der Internationale Skiverband jetzt an. Es gibt eine Arbeitsgruppe, in der ich auch drin bin. Mit Vertretern der Skierzeuger, unter anderem mit Klaus Hotter von der Firma Head. Es gilt einen Spagat zu finden zwischen dem Sicherheitsgedanken, aber auch innovativ zu bleiben. Wird nur reglementiert, dann leidet die Performance. Über die Rennanzüge könnte man viel regeln. Da hat der ÖSV in die Entwicklung jedoch viel hineingesteckt und einen Vorsprung, den man nicht hergeben will. Auch über die Pistenverhältnisse muss man reden. Wie über Bewerbe in der Halle. Man soll den wachsenden Märkten mit Events vor Ort Rechnung tragen, wie immer die dann aussehen. Du musst in Südamerika, in China, in Japan oder Dubai Rennen fahren. Die Halle bietet sich perfekt für eine Serie mit drei, vier Parallelrennen an, da könnte dann eine erste Weltcupkugel in Lech vergeben werden. Deswegen haben wir jetzt einen neuen Präsidenten. Er wird das antreiben. Es ist sein ureigenstes Ziel, den Sport globaler zu machen.
Der neue FIS-Chef Johan Eliasch denkt auch über eine neue Art der Vermarktung des Skisports nach.
Der Weltcup gehört dem Internationalen Skiverband. Die FIS gibt ihren nationalen Verbänden eine gewissen Anzahl an Rennen pro Saison. Die müssen diese dann selbst verkaufen. Manche Länder tun sich leichter, wie etwa Österreich, die Schweiz, zum Teil auch Deutschland. Wenn Johan Eliasch die Rechte zurückholt, muss er diese zuerst an einen Sponsor verkaufen. Aus der Sicht des ÖSV hat mich Peter (Anm. d. Red.: Schröcksnadel) gelehrt, dass die Rechte, die wir haben, unser einziges Asset sind. Diese haben wir sehr gut verkauft. Deshalb sollten wir sie nicht hergeben. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, diese, anstatt an eine Agentur X zu verkaufen, an die FIS zu geben. Es darf sich dabei nur keine finanzielle Schlechterstellung ergeben. Der ÖSV hat großteils langfristige Verträge, die wären dann herauszukaufen. Das ist eine gewisse Herausforderung, denn da haben wir die Latte hoch gelegt.
Wie war bisher Ihr Austausch mit Präsident Eliasch?
Ich hatte schon vor seiner Wahl gute Gespräche mit ihm. Die FIS-Präsidentschaft ist eine Herzensangelegenheit für ihn. Die Sitzungen mit ihm laufen ziemlich stringent ab. Ein Beispiel: Eine Tagesordnung mit 78 Seiten wird beim Onlinemeeting in 75 Minuten abgearbeitet.
Welchen Einfluss hat Corona auf der Startliste in Zürs?
Das wissen wir erst am Freitag. Beim Kapitänsmeeting erfahren wir die endgültige Startliste. Für Profisportler gilt ja die 3G-Regel. Was den Impfstatus im ÖSV betrifft, so haben wir versucht, diesen anlässlich der Einkleidung in Innsbruck herauszufiltern. Damals waren es 15 Prozent aller Sportlerinnen und Sportler, die ungeimpft waren.