Marc Girardelli

Kommentar

Marc Girardelli

Das etwas andere Weltcuprennen

Sport / 16.11.2021 • 22:00 Uhr

Wenn man beim Flexenrace ein besonderes Resultat erwartet hatte, dachte man sicherlich nicht an jenes vom letzten Wochenende.

Christian Hirschbühl gewinnt in Zürs aus dem Nichts sein erstes Weltcuprennen, im zarten Alter von 31 Jahren. Wer aber denkt, dass dies bei Parallelrennen ein Einzelfall war, irrt gewaltig. Vor allem in diesem Kopf-an-Kopf-Bewerben gibt es die größten Überraschungen überhaupt. Am Samstag bei den Damen, als Andreja Slokar gewann, war es ja nicht anders.
Man kann nun lamentieren, dass der rote Lauf schneller war als der blaue. Aber es fahren ja beide Athleten immer beide Läufe. Und dieses Mal war der Unterschied von rot zu blau lange nicht so groß, wie z.B. beim WM-Parallelrennen in Cortina. Nehmen wir nur das Halbfinale Hirschbühl gegen Kristoffersen. Henrik gewinnt überlegen im schnelleren roten Lauf gegen Hirschbühl. Mit 0,5 Sekunden Vorsprung denkt man normalerweise: „Das reicht locker in so einem kurzen Lauf. Also kein Risiko“. Mit dieser Einstellung sind am Start schon zwei Zehntelsekunden verspielt. Dann sieht man den Rivalen schon neben sich und wird nervös, macht kleine Fehler. Und im langsameren Lauf ist kurzfristiges Beschleunigen fast unmöglich. Genau das ist Kristoffersen passiert. Dasselbe war dann auch im kleinen Finale der Fall. Da nutzte ihm auch sein obligater Zornausbruch im Ziel nichts mehr. Den hätte er sich besser für den Start vor seinem zweiten Lauf aufgespart.
Der Gegenpart war Christian Hirschbühl. Er hatte sicherlich nie damit gerechnet, gegen Kristoffersen große Chancen zu haben. Im ersten langsameren Lauf war er vielleicht sogar positiv überrascht, „nur“ 0,5 Sekunden zu verlieren. Das baute ihn auf, weil er noch eine minimale Chance für den entscheidenden Lauf sah. Und als er nach zwei Toren im zweiten Lauf schon fast gleichauf mit Kristoffersen lag, konnte er alle Schleusen öffnen und völlig befreit das Maximum aus seiner Fahrt machen. Ich bin mir sicher, dass Hirschbühl schon während seiner grandiosen zweiten Fahrt ein Hochgefühl spürte, wie er im Rausch die letzten Tore nahm, und verdient gewinnen konnte.
Dasselbe Szenario zeigte sich dann auch im Finale. Hirschbühl zeigte nochmals Renntechnik vom Feinsten mit maximaler Angriffslust. Beides zusammen ergab den Sieg. Vielleicht hatte das Publikum im Ziel auch noch seinen Beitrag geleistet. Mir kam es vor, als ob ich in Schladming im Ziel stehe.
Herzliche Gratulation Christian, du hast am Sonntag vielen Menschen eine große Freude bereitet.