Herbstmeister, Winterkönig – das sind Gründe für die Überlegenheit der Austria Lustenau

Sport / 29.11.2021 • 14:32 Uhr
Herbstmeister, Winterkönig – das sind Gründe für die Überlegenheit der Austria Lustenau
Haris Tabakovic (hinten) feiert mit Jean Hugonet den 6:0-Sieg über Kapfenberg. Gepa

Im Frühjahr 2021 noch ein potenzieller Abstiegskandidat, kann die Grün-Weißen in der Saison 2021/22 wohl nur noch ein Selbstfaller auf dem Weg zum Meistertitel stoppen.

Lustenau Vier Jahreszeiten beschreiben ein Jahr – Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Blickt man im Lager von Austria Lustenau auf das Jahr 2021 zurück, kann man getrost von sechs Monaten dunkelstem Winter und sechs Monaten sonnigstem Sommer sprechen. Denn das Frühjahr 2021 wurde sportlich miserabel absolviert. Erst an den letzten beiden Spieltagen konnte der komplette Absturz auf den letzten Platz verhindert werden. Der zwar aufgrund der Ligabestimmungen wegen der Coronapandemie nicht zum Abstieg geführt hätte, dennoch ist man sich bei der Austria der möglichen Schande sehr wohl bewusst gewesen. In der zweiten Jahreshälfte schien dann fast nur mehr die Sonne. In 16 Spielen holte das Team satte 38 Punkte, in der Tabelle liegen die Grün-Weißen seit der dritten Runde klar voran. Eine Herbstsaison wie diese wurde nur einmal in der Vereinsgeschichte gespielt. 2012 führte Trainer Helgi Kolvidsson die Austria mit 14 Siegen und drei Remis zu unglaublichen 45 Punkten.

Diebstahl des Jahres

Gründe für die unglaubliche Wandlung von einem Abstiegskandidaten zum absoluten Ligaprimus gibt es bei den Lustenauern viele. Der wohl im Nachhinein augenscheinlichste war der Beutezug von Sportkoordinator Alexander Schneider beim FC Dornbirn, als er Markus Mader vom Lokalrivalen in die Stickergemeinde lockte. Nicht viele im Land trauten dem 54-Jährigen zu, im Profifußball Fuß zu fassen, geschweige denn die Austria souverän zum Aufstiegskandidaten Nummer eins zu machen. Doch Mader strafte alle Kritiker Lügen und schaffte es mit seinem Trainerteam in extrem kurzer Zeit eine Mannschaft zu formen, die Woche für Woche die Fans im Reichshofstadion zum Jubeln brachte. Den gebürtigen Bregenzer kann man gut und gerne als den „Missing Link“ bei der Austria bezeichnen. Denn über eine gute Truppe verfügte der Klub bereits in der Saison 2020/21, allein es haperte an der Umsetzung im Ligabetrieb. Hier hat Mader das richtige Rezept gefunden, 38 Punkte sprechen mehr als eine deutliche Sprache.

Kooperation ergibt Sinn

Nicht wegzuleugnen ist auch der Umstand der funktionierenden Kooperation mit dem französischen Klub Clermont Foot. Stellten die Franzosen unter der Schirmherrschaft von Investor Ahmet Schaefer in der letzten Saison schon gute Talente zur Verfügung, so konnte mit den Kooperationsspielern in der aktuellen Saison das Niveau noch einmal nach oben gehievt werden. Belgiens U-20-Nationalspieler Brandon Baiye wurde gehalten, dazu gelang der Austria mit der Leihe von Muhammed Cham der ganz große Wurf. Der 20-jährige Wiener schlug sofort ein und mauserte sich zum absoluten Spielmacher, der neben elf Torvorlagen noch sieben Treffer selbst beisteuerte. Auch Silva Teixeira zeigte im Laufe des Herbstes, wie wertvoll er noch sein kann. Einzig Mittelfeldspieler Cem Türkmen konnte sich noch wenig beweisen, zu stark ist die Konkurrenz im defensiven Mittelfeld mit Brandon Baiye und Pius Grabher, der sich wohl in der Form seines Lebens befindet.

SC Austria Lustenau

Alle Ergebnisse vom Herbst

1. Runde Grazer AK 2:1 (h)

2. Runde SV Lafnitz 4:1 (a)

3. Runde FC Liefering 2:1 (h)

4. Runde Floridsdorfer AC 1:3 (a)

5. Runde Wacker Innsbruck 2:1 (h)

6. Runde Rapid Amateure 2:1 (a)

7. Runde SKU Amstetten 3:1 (h)

8. Runde Vorwärts Steyr 2:1 (a)

9. Runde Juniors OÖ 5:0 (h)

10. Runde FC Dornbirn 2:0 (a)

11. Runde SV Kapfenberg 6:0 (h)

12. Runde BW Linz 0:1 (h)

13. Runde SKN St. Pölten 1:1 (a)

14. Runde SV Horn 2:0 (h)

15. Runde Young Violets 4:1 (a)

16. Runde Grazer AK 0:0 (a)

Tabelle:

Austria Lustenau 16 12 2 2 38:13 38

Die Austria rangierte nur am zweiten (4.) und dritten Spieltag (2.) nicht auf dem ersten Platz.

Torjäger und Tore-Verhinderer

Der kometenhafte Aufstieg der Austria im Herbst ist zudem verbunden mit dem Namen Haris Tabakovic. Der Schweizer, der im Sommer den Absprung in eine höhere Liga machen wollte, ist die Torgarantie in Person. In nur 14 Spielen schaffte der 27-Jährige 19 Volltreffer, ließ in seinem Spiel nie den Frust über einen etwaigen gescheiterten Wechsel aufkommen. Aufgezogen wie ein Schweizer Uhrwerk ließ er stattdessen die Bälle in den Toren der Gegner zappeln – alle 57 Minuten drehte der in Grenchen geborene Vollblutstürmer zum Jubeln ab. Sein Pendant in defensiver Hinsicht ist der im Sommer verpflichtete Jean Hugonet. Den 22-jährigen Innenverteidiger aus Paris hatte davor niemand auf dem Zettel. Umso beeindruckender war seine Performance vom ersten Tag an. Mit der Selbstverständlichkeit eines Routiniers spielte Hugonet eine blitzsaubere Hinrunde und entpuppte sich neben Cham als „der“ Top-Neuzugang der Austria. Gefühlt unterlief dem Pariser kein einziger Fehler in seinen 1606 Minuten im grün-weißen Dress der Lustenauer. Dazu ergänzte er sich glänzend mit Kapitän Matthias Maak, der die absolute Führungsfigur im Team ist. Der Steirer ging mit seiner Erfahrung immer voran und rangiert in der Hierarchie im Team ganz weit oben.

Grün-weißes Herz

Der Motor der Mannschaft steckt im Dress mit der Nummer 23. Pius Grabher ist Mister Austria Lustenau. Der 28-Jährige agiert so gut wie noch nie im Trikot der Austria. Seine ruhige Ausstrahlung gepaart mit dem Temperament des Nebenspielers Baiye verleiht der Austria die richtige Mischung zwischen Tempo und Ruhe in brenzligen Situationen. Grabher bildete bislang die perfekte Schnittstelle zwischen Defensive und Offensive, nie auffällig, dafür umso effizienter. Spricht man von Stabilität im Spiel, dann ist der Blondschopf der Stabilisator.

SC Austria Lustenau

Statistiken Herbstsaison 2021/22 (2. Liga/ÖFB-Cup)

Tore

Haris Tabakovic 20 Tore

Muhammed Cham 7

Michael Cheukoua 3

Jan Stefanon 2

Torvorlagen

Muhammed Cham 11 Vorlagen

Michael Cheukoua 6

Brandon Baiye 4

Silva Teixeira 3

Meiste Spielminuten

Jean Hugonet 18 Spiele/1606 Minuten

Domenik Schierl 17/1530

Muhammed Cham18/1490

Pius Grabher 18/1449

Böse Buben

Michael Cheukoua 5 Gelbe Karten

Haris Tabakovic 4

Jean Hugonet 3

Konkurrenz und Teamspirit

Alles in allem verfügte die Austria im Herbst über einen enorm ausgeglichenen Kader. Nicht umsonst betonte der Cheftrainer immer wieder, „dass die Qualität im Match nicht leidet, wenn ich neue Leute einwechsle. Im Gegenteil: Oftmals steigert sich diese noch“. Spieler wie Türkmen, Jan Stefanon, Adriel, Leo Mätzler, Wallace oder der nach langer Verletzung zurückgekehrte Daniel Tiefenbach hatten alle ihren Anteil am Erfolg des Klubs. Keiner der oben genannten Kicker ließ sich ob des Umstandes, schwer in die Stammelf hineinzukommen, hängen. Jeder rief im Laufe des Herbstes durchwegs gute Leistungen ab. Gleichzeitig erhöhte dies den Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft, der laut Mader „immer kollegial abläuft, weil der Teamspirit in der Mannschaft enorm groß ist. Sie halten zusammen und haben sich den größtmöglichen Erfolg zum Ziel gesteckt. Es war bis jetzt richtig leicht, mit den Jungs zu arbeiten, weil alle an einem Strang ziehen“.
So ist es zu wünschen, dass dieser Spirit gepaart mit dem starken Spielerpotenzial auch im Frühjahr erhalten bleibt. Noch so ein Herbst, aber eben im Frühjahr, dann ist der Aufstieg in die Bundesliga möglich. Die Thematik rund um das neue Stadion ausgeklammert, denn die hat nichts mit dem sportlichen Höhenflug der Mannschaft zu tun.