“Mein Ziel ist nicht nur der Aufstieg”

Jean Hugonet (22) peilt mit Austria Lustenau den Meistertitel an.
Lustenau Wer hätte nach der furchtbaren letzten Saison gedacht, dass Austria Lustenau als Tabellenführer in die Frühjahrssaison 2022 startet? „Ich nicht“, gesteht Jean Hugonet. Der 22-jährige Franzose steht sinnbildlich für den unglaublichen Aufschwung seines Vereins. Im Sommer wie aus dem Nichts aufgetaucht, sorgte er sofort als einer der besten Innenverteidiger der 2. Liga für Aufsehen. Dabei hatte er vorher in zwei Jahren nur drei Spiele für einen französischen Viertligisten bestritten. Im VN-Interview erzählt er seine verrückte Geschichte.
Alle haben sich gefragt, wo kommt plötzlich dieser Topverteidiger her?
Als Jugendlicher war ich bei Bretigny. Das ist der beste Amateurklub für junge Spieler in Frankreich. Ich war dort fünf Jahre, aber körperlich nicht so gut und zu dick. Als ich mit 19 zum Studieren nach Paris gegangen bin, habe ich bei FC Paris meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Der Klub war damals aber Letzter in der 2. Liga und deshalb hat der Trainer lieber auf erfahrene Spieler gesetzt. Im März 2020 wurde dann die Saison vorzeitig wegen Corona beendet. Mein Vertrag lief aus und sie haben ihn nicht verlängert.
Wie kam es dazu, dass du auch die folgenden eineinhalb Jahre praktisch nicht gespielt hast?
Wegen meines Profistatus wäre ich für die Vereine in den unteren Ligen zu teuer gewesen. Daher musste ich ein halbes Jahr warten, bis ich wieder Amateurstatus hatte. Dann bin ich zu Saint Malo in die 4. Liga gegangen. Aber gleich nach meiner ersten Ligapartie wurde die Saison wieder wegen Corona beendet.
Wie kam es dann zum Wechsel nach Lustenau?
Ich habe ein gutes Testmatch für Clermont gemacht. Weil der Verein in die Ligue 1 aufgestiegen ist, haben sie mich dann bei Lustenau unter Vertrag genommen. Ich habe mit etwas Recherche schnell herausgefunden, dass es der perfekte Schritt für mich ist, wieder in einem guten Klub mit guten Fans in einer guten Meisterschaft. Es ist ein großes Glück, dass ich nach Österreich kommen konnte und hier zeigen darf, was ich drauf habe.
So wie du spielst, ist es ein Glück für beide Seiten. Wusstest du wirklich, was dich hier erwartet?
Naja, ich bin da schon ein bisschen ein Risiko eingegangen. Aber Österreich hat mich positiv überrascht. Beim FC Paris wurde kein schlechter Fußball gespielt, aber dort in der 2. Liga hatten wir teilweise weniger Fans als in Lustenau. Obwohl es der zweite Pariser Verein nach PSG ist. Verglichen mit Frankreich ist der Fußball hier auch ganz anders. In der zweiten französischen Liga sind alle Teams defensiv sehr stark. In Österreich nehmen die Teams mehr Risiko und sind offensiver. Ich mag das. Das ist auch für die Fans schöner. Und in Lustenau ist die Atmosphäre echt großartig.
Wäre mit dem Aufstieg die Chance größer, dass du noch eine Saison hier spielst?
Die Bundesliga wäre ein toller nächster Karriereschritt. Mein Ziel ist aber nicht nur der Aufstieg, sondern auch den Titel zu holen. Dafür werde ich alles geben. Der Weg ist aber noch lang. Der Start ist gleich richtig schwierig mit vielen entscheidenden Partien. Deshalb habe ich meinem Manager gesagt, selbst wenn Anrufe im Winter kommen, er soll es mir nicht sagen. Ich will mich voll auf meine Saison hier konzentrieren. Erst wenn das Ziel erreicht ist, will ich wieder was davon hören.
Was hältst du von Vorarlberg?
Lustenau ist perfekt. Ich gehe gern in die Berge, bin von hier gleich in den Schweizer und österreichischen Alpen. Ansonsten mache ich Musik. Ich bin Schlagzeuger. Das ist aktuell aber schwer, weil ich in einer Wohnung bin, da hätten die Nachbarn wenig Freude. Deshalb spiele ich Gitarre und etwas Klavier. In Frankreich hatte ich sogar eine Band. Ich mag Rock, Pop, Elektro und Latinomusik.
Wie kommt es, dass du für einen Franzosen so gut Englisch sprichst?
(lacht) Viele Franzosen sprechen wirklich fürchterlich Englisch. Aber ich hatte es in der Schule. Und meine Freundin Olivia Mbala kommt aus Toronto, also dem englischen Teil von Kanada. Ich habe sie in Saint Malo kennengelernt. Dort spielt sie aktuell im Frauenteam, in der Innenverteidigung. Genauso wie ich.