Generalabrechnung nach Krönung

Sport / 16.03.2023 • 23:04 Uhr
Gelernt ist gelernt: Gianni Infantino nutzte die Wiederwahl zum FIFA-Präsidenten für eine Selbstdarstellung, wie sie zuvor schon sein Vorgänger Sepp Blatter praktiziert hatte.ap
Gelernt ist gelernt: Gianni Infantino nutzte die Wiederwahl zum FIFA-Präsidenten für eine Selbstdarstellung, wie sie zuvor schon sein Vorgänger Sepp Blatter praktiziert hatte.ap

Vorhang auf zur Infantino-Show hieß es bei der Wiederwahl des FIFA-Präsidenten.

Kigali Mit dem Rückenwind der triumphalen Krönungsmesse schlüpfte Gianni Infantino in die Opferrolle. Im Bewusstsein seiner wieder einmal mit fundamentaler Mehrheit gesicherten Machtposition holte der unantastbare FIFA-Boss zu einer grotesken Generalabrechnung mit den Medien aus. „Ich verstehe nicht, warum einige von Ihnen so gemein sind. Ich arbeite hart. Ich stehle nicht, ich profitiere nicht“, sagte Infantino bei einem 15-minütigen Monolog mit reichlich Pathos in der Stimme.

Er verstehe „die Feindseligkeiten und ständigen Attacken auf die FIFA und ihren Präsidenten nicht“, betonte er – und wandte sich direkt an die Journalisten in Kigali: „Sie müssen mich nicht mögen, sie müssen mich nicht lieben. Sie können mich kritisieren, aber bitte bleiben sie bei den Fakten.“ Er habe sein „Leben lang hart dafür gearbeitet, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin“. Und er spüre gewaltige Rückendeckung.

207 Mitgliedsverbände

Gut 150 Minuten zuvor hatte Infantino bei seiner Wiederwahl auf dem 73. Kongress die Standing Ovations der unterwürfigen Fußballwelt in vollen Zügen genossen. Die paar kritischen Sitzenbleiber um DFB-Chef Bernd Neuendorf strafte er gleich mit seiner ersten Botschaft ab. „Ich möchte allen danken. Denen, die mich lieben – und auch denen, die mich nicht so mögen. Das sind einige wenige. Ich mag sie alle – besonders heute“, sagte Infantino mit schelmischem Grinsen.

Die verwehrte Gefolgschaft von Nationen wie Norwegen, Deutschland und Schweden ließ den Unantastbaren bei seiner großen Show in Ruanda kalt. „Wenn ich lese, er hat Unterstützung von ein paar armen Ländern aus anderen Kontinenten. Dann ist das einfach falsch“, betonte der Schweizer: „Die überwältigende Mehrheit hat das Gefühl, dass ich einen guten Job mache –auch in Europa.“

Angesichts der sicheren Unterstützung durch die große Mehrzahl der 207 stimmberechtigten Mitgliedsverbände rührte Infantino schon beim Kongress gewaltig die Werbetrommel für sich und die FIFA. „Alles, was ich als Präsident mache, tue ich für alle von euch. Ich werde darin weitermachen, der FIFA und dem Fußball in aller Welt zu dienen“, versprach er pathetisch. „Wir lieben Sie, Präsident“, rief ihm FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura nach seinem Auftritt zu – Infantino grinste breit. „Bei der FIFA geht es nicht ums Geld, es geht um Fußball“, stellte er energisch klar: „Wir brauchen natürlich das Geld, um den Fußball auf der ganzen Welt zu entwickeln. Das Geld der FIFA ist auch euer Geld.“ Diese Botschaft vermittelt er den Verbänden seit Amtsantritt 2016 – und sichert so seine Macht ab. Ein Gegenkandidat traute sich deshalb erneut nicht ins Rennen, wie schon 2019 war die Wiederwahl reine Formsache und wurde per Akklamation durchgeführt.

Bis ins Jahr 2027 dauert Infantinos zweite Amtszeit offiziell, anschließend kann er gemäß Statuten noch für eine weitere Periode bis 2031 kandieren. Kaum vorstellbar, dass er dieses Maximum nicht ausschöpft.