Umwelt als großer Verlierer

Große Distanzen bei Frauen-WM bescheren Nachhaltigkeitsprobleme.
Sydney Die Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) verspricht, ein Sportfest der Superlative zu werden. Mehr als eine Million Fans werden in den Stadien erwartet, zudem sind erstmals 32 Teams dabei. Auch zwei Gastgeberländer sind ein Novum, ebenso der Austragungsort in der südlichen Hemisphäre. Ein großer Verlierer ist aber die Umwelt. Zwar wirbt der Weltverband FIFA mit „grünen Stadien“, doch nachhaltig ist das Turnier der großen Distanzen am anderen Ende der Welt nicht.
„Wenn man so ein Riesenevent in Fernzielen austrägt, dann hat das natürlich einen wahnsinnigen Flugverkehr zur Folge. Das ist einfach grundsätzlich nicht nachhaltig“, sagt Susanne Becken, Professorin für nachhaltigen Tourismus an der Griffith Universität in Brisbane.
Vor allem der erwartete große Fan-Andrang rund um das Turnier vom 20. Juli bis 20. August bringt Probleme mit sich. Besonders aus Europa ist die Anreise alles andere als umweltfreundlich. Wer von Berlin nach Sydney und wieder zurück fliegt, verbraucht dafür etwa 4,7 Tonnen an CO2-Emissionen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresverbrauch in Österreich liegt bei knapp zehn Tonnen pro Person.
4300 Kilometer für ein Match
Die WM verteilt sich auf insgesamt neun Städte, darunter vier in Neuseeland und fünf in Australien. Besonders in „Down Under“ sind die Distanzen enorm. Wer beispielsweise von Brisbane an der Ostküste in die westaustralische Stadt Perth reisen möchte, muss auf dem Landweg über 4300 Kilometer zurücklegen. Ein Flug dauert zwischen vier und fünf Stunden.
In der Gruppenphase bleiben die Teams zwar noch in einem Land, aber ab der K.o.-Phase müssen sie zwischen den Ländern hin- und herfliegen. Zu den langen Anfahrtswegen und den großen Distanzen beim Frauen-Turnier schweigt die FIFA. Stattdessen verweist der Verband in seiner Nachhaltigkeitsstrategie darauf, dass in bereits existierenden Stadien gespielt werde, was „die Kosten und die Auswirkungen auf die Umwelt minimieren“ solle. Alle zehn Stadien haben ein sogenanntes „grünes Zertifikat“ des Green Building Council erhalten.
„Nur ein Trostpflaster“
Doch machen nachhaltige Stadien die CO2-Emissionen des Flugverkehrs tatsächlich wett? Die FIFA schreibt in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie, Fußballfans sollten ermutigt werden, ihren Abfall ordentlich zu entsorgen und sich Gedanken über den Klimawandel zu machen. „Die üblichen Kleinigkeiten“ machten zwar einen Unterschied, sagt Becken. Dennoch seien diese Maßnahmen nur ein „Trostpflaster“, urteilt die Nachhaltigkeitsforscherin.
Wenn man Massenevents wirklich nachhaltig gestalten wolle, müsse die Anwesenheit von Fans in Stadien drastisch reduziert werden. „Man könnte durchaus technologische Innovationen haben, mit denen man trotzdem live dabei ist – vielleicht mit Virtual Reality“, sagt Becken. „Das sind aber Ideen, die würden solche Schlüsselevents revolutionieren.“ Halb oder gar ganz leere Stadien dürften bei den meisten Fans erst einmal nicht auf Begeisterung stoßen.
WM 2026 noch größer
Wie weit die FIFA von einer grundlegenden und nachhaltigen Umgestaltung ihrer Turniere entfernt ist, zeigen auch die Pläne für die Männer-WM 2026. Was lange Anfahrtswege angeht, legt sie hier sogar noch eins drauf: Die Weltmeisterschaft wird in Kanada, den USA und Mexiko stattfinden – zum ersten Mal treten 48 Teams in insgesamt 16 Städten an. Mit der Bahn geht da nichts mehr.
„Will man Massenevents nachhaltig gestalten, muss man die Zahl der Fans in Stadien reduzieren.“
