DFB zieht bei Flick die Reißleine

Das 1:4 der Deutschen gegen Japan war zu viel, gegen Frankreich kehrt Rudi Völler zurück.
Wolfsburg Hansi Flick posierte noch geduldig für Fotos, als das öffentliche Training längst beendet war. Ein Hauch von Abschied wehte auf seiner Ehrenrunde schon durch das kleine Wolfsburger Stadion – und wenige Stunden später hatte er Gewissheit. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gab nach der Bankrotterklärung gegen Japan die Trennung vom schwer angeschlagenen Bundestrainer bekannt. Beim Spiel am Dienstag (21.00 Uhr/ARD) in Dortmund gegen den Vize-Weltmeister Frankreich werden Sportdirektor Rudi Völler, U20-Trainer Hannes Wolf und Sando Wagner einmalig auf der Bank sitzen.
„Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt“, wird DFB-Präsident Bernd Neuendorf in einer Mitteilung zitiert. Er fügte nach der „schwierigsten Entscheidung seiner bisherigen Amtszeit“ an: „Wir brauchen mit Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land eine Aufbruchstimmung und Zuversicht.“
Novum und Glasner in Verlosung
Durch die Trennung von Flick sorgte der Verband für ein Novum: Keiner der zehn Vorgänger Flicks wurde entlassen. Nach dem sportlichen Offenbarungseid beim blamablen 1:4 (1:2) blieb den Bossen neun Monate vor der so wichtigen Heim-EM keine andere Wahl. „Der sportliche Erfolg hat für den DFB oberste Priorität. Daher war die Entscheidung unumgänglich“, sagte Neuendorf. Eine Dauerlösung für die Heim-EM präsentierte der Verband nicht. Ziel sei es, möglichst „zeitnah die Nachfolge zu regeln“. Julian Nagelsmann, Oliver Glasner und Stefan Kuntz werden gehandelt und könnten die Aufgabe erstmals bei der umstrittenen US-Tour ausüben. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus forderte Matthias Sammer und lehnte selbst den Job ab. Doch jetzt soll gegen Frankreich erst einmal ein weiteres Desaster verhindert werden – ohne Flick. Auch bei der öffentlichen Einheit vor 2376 Fans am Sonntagmittag gab sich der einstige Co-Trainer von Joachim Löw noch kämpferisch. „Ich fighte weiter“, rief er den Anhängern zu und kitzelte ein Kleinkind im Mini-Trikot am Bauch. Ihm schwante aber Böses: Im Profi-Fußball sei „vieles schwer vorherzusagen“. So holten ihn die Sorgen auch schnell wieder ein. Die DFB-Verantwortlichen um Neuendorf, sein Vize Hans-Joachim Watzke und Völler steckten am Nachmittag die Köpfe bei einer Krisensitzung zusammen. Die Statistiken waren zu alarmierend. Drei Niederlagen der Nationalmannschaft in Folge gab es zuletzt vor 38 Jahren unter Franz Beckenbauer. Von den vergangenen 17 Spielen wurden nur vier gewonnen. Seit dem WM-Desaster gab es nur einen Sieg in sechs Begegnungen.
Bittere Realität
Flicks Umstellungen, der neue Kapitän Ilkay Gündogan, die Degradierung von Joshua Kimmich auf die rechte Abwehrseite – damit hatte der Bundestrainer ein Lebenszeichen senden wollen. Seht her, ich kämpfe, ich bin modern. Wir haben jetzt eine Spielphilosophie! Es ging absolut krachend schief. So auch die Idee, den total überforderten Nico Schlotterbeck hinten links in einen aussichtslosen Kampf gegen viel schnellere und wendigere Japaner zu schicken. Thomas Müller sagte der Fußball-Nation, was überfällig war. Deutschland gehöre eben nur noch in der Selbstwahrnehmung „zu den besten 10 oder 15 der Welt“, vielleicht in der Theorie, „aber nicht in der Realität“.
„Wir gehören nur in der Selbstwahrnehmung zu den Top-Nationen, aber nicht in der Realität“

