“Dann fahre ich halt ein Jahr länger”

Warum Nina Ortlieb auch nach ihrer 20. Operation ihren Optimismus nicht verloren hat und wie ihre Comebackpläne ausschauen, verriet sie den VN am Rande des Sporttalks in Lech, im Rahmen des Rennens “Der Weiße Ring”.
Lech Noch sind Krücken ihre täglichen Wegbegleiter. Sechs bis acht Wochen, hieß es kurz nach der Entlassung aus dem Sanatorium Dr. Schenk. Nina Ortlieb ist zu bewundern, denn die 27-Jährige schmiedet schon wieder Comebackpläne. Dabei ist der schwere Sturz am 8. Dezember 2023 in St. Moritz tief in ihre Gefühlswelt eingedrungen. “Solche Schmerzen habe ich noch nie erlebt”, gesteht sie. Dabei weiß die Lecherin nur zu gut, wie sich Verletzungen anfühlen. Diesbezüglich ist sie sehr wohl ein gebrandmarktes Kind. “Das Gute ist, man weiß nie, was einen erwartet.” Ortlieb wäre nicht sie selbst, würde sie nicht das Positive sehen. Eine Frau, sagt sie, die ein Kind gebärt, weiß vorher auch nichts von möglichen Schmerzen.

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Nichts dem Zufall überlassen
Dabei gibt sie zu: Die Bedingungen vor ihrem Sturz seien grenzwertig gewesen. Doch Ortlieb, die stets versucht, sich zu verbessern, wollte nichts dem Zufall überlassen. “Klar habe ich mich geärgert”, sagt sie heute mit einem Blick zurück auf den verhängnisvollen 8. Dezember 2023 und gesteht: “Ich trage einfach eine gewisse Risikobereitschaft in mir. Darüber bin ich froh. Ich bin keine Mitschwimmerin.” Sophia Goggia, sinniert sie, habe wohl ähnliche Gene und sei trotz ihrer vielen Verletzungen bereit, Risiken einzugehen. Natürlich, der Grad sei ein schmaler, ist sich Ortlieb bewusst. Manches Mal, so gibt sie zu, sei sie selbst schockiert, “wie schnell Verletzungen passieren, selbst bei Athleten oder Athletinnen, die sich im Flow befinden”.

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Wichtig ist zu akzeptieren
Wichtig auf dem Weg zurück ist die Akzeptanz der Verletzung, die Situation so anzunehmen, wie sie sich präsentiert. Nur so, dessen ist Ortlieb sich sicher, bestehe die Möglichkeit, nicht nur zurück- sondern vielmehr weiterzukommen. Sie selbst hege diesbezüglich keine Zweifel. “Ich habe das Vertrauen, es wieder zu schaffen”, sagt sie und verweist auf ihr perfektes Umfeld. Beginnend vom Arzt ihres Vertrauens – Dr. Christian Schenk (“Er kennt meine anatomischen Schwachstellen”) weiß um die Verletzungsakte der Speed-Spezialistin bestens Bescheid – bis hin über ihre Reha-Begleiter sowie ihren Trainern im “Olympiazentrum “Base Five” in Innsbruck. Zumal sie selbst noch das Gefühl in sich verspüre, “noch mehr schaffen zu können”. Bei all ihren Verletzungen hilft zudem ein Schuss Galgenhumor. “Wenn es leicht wäre, wäre es ja fast schon langweilig”, sagt sie und fügt hinzu: “Wenn du die WM-Medaille in Händen fühlst, weißt du, dass es sich gelohnt hat.”
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Dieses Gefühl, am Podest zu stehen, “möchte ich wieder erleben. Am liebsten bei der Heim-WM (Anm. d. Red.: Saalbach 2025) und bei Olympia.” Nicht zuletzt deshalb hat Ortlieb einen pragmatischen Zugang, was ihre Verletzungshistorie betrifft. “Ich habe dadurch viel Zeit verloren. Also fahre ich halt ein Jahr länger.” Dabei lässt sie nicht außer Acht, stets auf ihren Körper zu hören. Denn die mentale Bereitschaft, alles zu geben, trägt sie in sich.

Prall gefüllte Tage
Ihre Verletzungspause, so erzählt Ortlieb, habe nichts mit einer Pause gemein. “Langweilig wird mir sicher nicht”, sagt sie gerne und spricht über ihren aktuellen Trainingsumfang. Es sei, so sagt sie, eine Balance zwischen Erholung und Belastung. Zumal die Operation, die immerhin vier Stunden dauerte und nach eigenen Worten ob der vielen Verletzungen “kein Standardprogramm” beinhaltete, viel Kraft gekostet hat. Und so vergeht kein Tag ohne Kältemaschine, Rumpf- und Oberkörperübungen, Physiotherapie, Training im Wasser und auf dem Fahrrad und Lymphmassagen. Zudem entlastet Nina Ortlieb zu Hause im Hotel Montana in Oberlech ihre Eltern bei der Büroarbeit.

Doch bei all den Aktivitäten schaut sie im Moment noch sehr darauf, den an Schien- und Wadenbein operierten Fuß nicht zu viel zu belasten. Alles dem Ziel untergeordnet, beim ersten Rennen in der neuen Saison wieder dabei sein zu können. “Ich mache das gerne, weil ich das Gefühl habe, noch viel mehr erreichen zu können.” Es wäre nicht ihr erstes großes Comeback. Diesbezüglich hat sie in Goggia oder Lindsey Vonn auch perfekte Vorbilder.