„Wir haben genug Dreck gefressen“

Dylan Stanley spricht über eine emotionale Spielzeit, seine Botschaft und mögliche Abgänge.
Feldkirch Zwei Tage nach dem letzten Saisonspiel der Pioneers gegen den KAC ist Dylan Stanley im Stress. Der Coach der Feldkircher steckt bereits in den Planungen für die kommende Saison und muss nebenbei die Abschlussgespräche der abgelaufenen Spielzeit führen. Der Kanadier ist trotzdem längst im Sommermodus und begrüßt zum Interview in kurzen Hosen.

Sie waren viele Jahre Spieler, in der vergangenen Saison Co-Trainer bei den Pioneers. Hat es trotzdem etwas gegeben, das Sie als Headcoach überrascht hat?
Dylan Stanley: Ja, die Menge an emotionalem Stress, der herrscht, war neu für mich. Als Cheftrainer ist der Umgang mit Spielern oder dem Trainerteam, im positiven wie im negativen, sehr persönlich. Die Saison war sehr emotional, intern mussten wir uns mit schwierigen Situationen auseinandersetzen. Es gab Tage, an denen ich aufgewühlt nach Hause gekommen bin.

Was ist der Unterschied zwischen Chef- und Co-Trainer?
Dylan Stanley: Als Chef muss man sich mit den großen Themen auseinandersetzen. Wenn ein Spieler ein privates Problem hat oder es Schwierigkeiten im Team gibt, dann muss sich der Headcoach darum kümmern. Ich wusste, dass diese Themen aufpoppen werden, wie intensiv das wird, war aber nicht absehbar.
Sie haben Ihr Saisonziel mit dem Einzug in die Play-offs erreicht. Als Zehnter des Grunddurchgangs sind die Pioneers aber als letztes Team noch ins Pre-Play-off gerutscht. Gab es trotz des guten Gefühls am Saisonende Dinge, die sie anders machen würden?
Dylan Stanley: Ich glaube, der Saisonverlauf und die Art, wie wir ins Pre-Play-off eingezogen sind, war ideal für uns als Team. Wenn wir uns die vier Pre-Play-off-Teilnehmer ansehen, hatten wir gegen Pustertal und Ljubljana eine positive Bilanz, gegen Innsbruck haben wir zuletzt drei Siege in Folge gefeiert. Für mich waren wir am Ende das beste Pre-Play-off-Team. Wir mussten am Anfang der Saison viel lernen, haben viele Spiele im letzten Drittel verloren, hatten auswärts unsere Probleme. Im Play-off haben wir schließlich in Innsbruck und zweimal in Klagenfurt gewonnen. Insofern nahmen wir eine gute Entwicklung, wir hatten viele neue Spieler, ich war ein neuer Trainer, wir mussten lernen. Einige der Fehler, die wir anfangs gemacht haben, gingen auf mich. Ich musste mich zunächst um unseren Stil, die Kabine und die Emotionen kümmern. Die Taktik musste warten, die taktische Entwicklung war ab Weihnachten deutlich besser. In Spiel sechs des Viertelfinales musste der KAC seinen Spielplan verändern, das war ziemlich cool. Das zeigte, dass unsere Taktik funktioniert hat.

Waren die Pioneers in den Play-offs auf ihrem absoluten Hoch?
Dylan Stanley: In den Pre-Play-offs waren wir am besten. Gegen Klagenfurt hatten wir gute Spiele, aber am Ende ist uns die Energie ausgegangen. Ich bin stolz, wie weit wir gekommen sind. Denn zu diesem Zeitpunkt der Saison zeigt die Entwicklung vieler Mannschaften nach unten…
…Innsbruck zum Beispiel.
Dylan Stanley: Genau. Aber auch Villach, die im Viertelfinale 1:4 verloren haben; Linz genauso. Das sind gute Teams, aber unsere Entwicklung war besser.
Was war ihr Highlight der Saison?
Dylan Stanley: Der Sieg im zweiten Spiel gegen Innsbruck. Wir hatten ein Heimspiel, die Halle war erstmals fast voll. Die Spieler haben hart für diesen Moment gearbeitet, der Sweep gegen den Rivalen war großartig. Da kam vieles hoch, es war emotional. Als Trainer war es speziell, den Spielern dabei zuzusehen, wie sie den Moment genießen.

Und das Lowlight der Spielzeit?
Dylan Stanley: Wenn man Spielern sagen muss, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Zur Saisonhälfte mussten wir uns von Cedric (Lacroix, Anm.) trennen. Es ist hart, einem Spieler zu sagen, dass er gehen muss. Cedric war einer, den ich ausgewählt habe. Emotional schwierig sind schwere Verletzungen, speziell von Olli (Vantaja; Anm.; hat im September eine Gehirnerschütterung erlitten). Wenn man ihn heute in der Halle sieht, ist er meilenweit davon entfernt, ein professioneller Sportler zu sein. Das ist schwierig zu akzeptieren.

Sie sind ein völlig anderer Typ Trainer und Mensch als ihr Vorgänger Marc Habscheid. Was konnten Sie von ihm lernen?
Dylan Stanley: Unabhängig vom Verlauf der ersten Saison nimmt man positive und negative Erfahrungen mit. Marc Habscheid hat mir mehr Verantwortung übertragen, als ich in diesem Moment verdient hatte. Bereits im ersten Monat hielt ich Ansprachen in der Kabine, er ließ mich Timeouts und das Powerplay organisieren. Er hat mich immer getestet und mich nicht vorinformiert, wann ich übernehmen sollte. Das hat mir viel geholfen, ich bin ihm einiges schuldig. Das Jahr als Co-Trainer hat mich darin bestärkt, als Coach meiner Linie treu zu bleiben.

Trotzdem haben Sie auf dem Eis einen völlig anderen Stil als Habscheid gewählt.
Dylan Stanley: In den zwei Jahren zuvor habe ich bereits an einem taktischen Plan erarbeitet für den Tag, an dem ich Headcoach werde. Im europäischen Eishockey ist mit das wichtigste, dass man einen Plan hat, bevor man die Spieler verpflichtet. Wir holten viele hungrige Spieler, die skaten können und den Gegner jagen wollen. Viele haben uns deshalb als offensiv bezeichnet, aber die beste Defensive ist es, den Puck zu besitzen und Zeit von der Uhr zu nehmen. Mein Assistent Johannes Nygard ist ein Genie, was die Videoanalyse betrifft, er hat mir sehr geholfen. Dass sich der Stil verändern würde, war klar. Ich wollte den Spielern Freude vermitteln, das ist gelungen. Im Play-off hat man aber gesehen, dass wir defensives Hockey spielen können.

Speziell in der ersten Saisonhälfte überschatteten Themen wie die Steuerermittlungen gegen die VEU-Verantwortlichen oder der Sponsor-Ausstieg von Bemer die sportlichen Schlagzeilen. Hat Sie das in Ihrer Arbeit in der Kabine beeinflusst?
Dylan Stanley: Die Spieler sind Menschen. Wenn es ihre Jobs betrifft, dann ist es natürlich Thema. Für mich als Headcoach gehört es dazu, diese Dinge mit dem Team zu besprechen. Ich sagte den Spielern von Anfang an, dass ich immer ehrlich sein werde. Wir hatten einige harte Diskussionen über diese Themen. Aber um ehrlich zu sein, einiges an Negativität zu Beginn der Saison hat mir geholfen, dass die Spieler meiner Botschaft glauben. Ich habe immer gesagt, dass wir am Anfang viel Dreck fressen werden, ohne dass wir darauf reagieren können. Im Jänner, Februar habe ich dem Team dann gesagt, jetzt haben wir genug Dreck gefressen. Es hat sich zu einem geflügelten Wort entwickelt.

Gegen welche Themen mussten Sie ankämpfen?
Dylan Stanley: Uns wurde gesagt, wir werden wieder Letzte. Mir wurde mitgeteilt, ich sollte kein Headcoach in dieser Liga sein. Wir haben das kleinste Budget, wir hatten Probleme im Umfeld, die Schlagzeilen waren negativ – aber ich habe die Aussagen geliebt, weil sie meine Botschaft unterstützt haben. Deshalb waren die Erfolge gegen Innsbruck und Klagenfurt so emotional. Die negative Vorgeschichte hat uns dabei geholfen, ein Team zu bilden, das hart und widerstandsfähig ist.
Sie haben während der Saison einige Spieler dazu geholt, wie schwierig ist es, Spieler wie Bobbo Peterssen oder Joonas Oden zu finden?
Dylan Stanley: Ich bin jemand, der eine intensive Recherche betreibt, bevor er jemanden verpflichtet. Ich rufe seine Freunde, seine Coaches an und rede mit dem Spieler, denn das Verhalten in der Kabine ist das wichtigste. Im Sommer ist es ähnlich, die Entscheidung für einen Spieler beschäftigt mich lange. Ich bin stolz auf die Neuzugänge während der Saison. Bobbo ist absolut professionell, er machte mit seiner Einstellungen einen großen Unterschied. Er ist der Erste, der kommt und der Letzte, der die Halle verlässt. Joonas ist erst im Dezember gekommen und bereits der beliebteste Spieler in der Kabine. Er ist ein faszinierender Spieler, der eine große Zukunft hat.

Das Viertelfinale liegt erst drei Tage zurück. Welche Aufgaben beschäftigen Sie derzeit?
Dylan Stanley: Am wichtigsten sind derzeit die Einzelgespräche mit den Spielern und den Trainern. Mit dem Management haben wir schon die Planungen für die kommende Saison aufgenommen. Aufgrund unseres Erfolges zeigen viele daran Interesse, nächstes Jahr hier zu spielen.
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Es gibt viele Gerüchte über Wechsel von Spielern wie Steven Owre oder Guus van Nes. Die Leistungsträger werden sicher finanziell bessere Angebote erhalten. Werden Sie sicher wechseln?
Dylan Stanley: Nein. Ich hatte ehrliche Gespräche mit ihnen allen. Keiner hat bereits einen Vertrag unterschrieben, weil sie sich auf die Play-offs mit den Pioneers konzentrieren wollten. Es ist ein Geschäft und ich bin froh über die Gerüchte, dass Graz vier unserer Spieler verpflichten will. Aber wir werden das Beste tun, um sie weiter bei uns zu halten. Wir werden aber in der kommenden Saison nicht mehr mit dem gleichen Kader auflaufen, manches wird unsere Entscheidung sein, manches jene der Spieler. Wenn Steven Owre ein Angebot über 150.000 Euro bekommt, sollte er dieses annehmen; das kann seine Karriere nachhaltig verändern. Dann bin ich der Erste, der ihm die Hand schüttelt und sich für die gemeinsame Zeit bedankt.

Bleiben Sie als bester Coach der Liga, wie Martin Ulmer gesagt hat, den Pioneers erhalten?
Dylan Stanley: Ja, ich hatte bereits einen Vertrag für die kommende Saison. Ich will hier weiter am Aufbau des Vereins arbeiten. Es gibt noch viel zu tun.

Wie sind die Aufgaben in der Saisonplanung zwischen Ihnen und Sportdirektor Michael Lampert aufgeteilt?
Dylan Stanley: Michael, Geschäftsführer Christian Groß und ich sind zusammengesessen und haben darüber gesprochen, wie das Team nächste Saison aussehen soll und wo wir etwas verändern wollen. Alles, was mit Finanzen und Spielerbudget zu tun hat, fällt in den Bereich von Christian. Michael und ich teilen unsere Meinungen über Spieler und entscheiden gemeinsam. Ich suche nach neuen Spielern, das ist etwas, was ich gerne mache. Sie geben mir viel Verantwortung.

Haben Sie bereits einen neuen Steven Owre im Hinterkopf?
Dylan Stanley: Wenn wir Steven ersetzen müssen, ist es nicht fair, einen neuen Spieler mit dem Liga-MVP zu vergleichen. Aber es macht Spaß, etwas Neues aufzubauen und ich habe schon einige Spieler im Auge. Im Unterschied zu Graz, die derzeit einfach die Topscorer verpflichten, muss ich tiefer graben und kreativ sein. In dieser Saison hat das gut funktioniert. Es gab aber nicht nur um die Einzelspieler, sie müssen zusammenpassen.

Neben ihrer Tätigkeit als Headcoach kümmern Sie sich auch um das Nachwuchsprogramm der Pioneers. Wie läuft’s?
Dylan Stanley: Kommende Woche fahre ich mit der U11 meines Sohnes nach Schweden, dann geht es nach Frankreich, Zell am See und Budapest. Meine Saison als Coach ist noch nicht fertig (lacht). Wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht, Michael Schurig hat viel Verantwortung übernommen. In den Jahrgängen 2013 bis 2015 haben wir viele Talente, mit denen wir jetzt den internationalen Trip unternehmen. Wir nehmen auch andere Vorarlberger Talente dazu und ich darf eine Art All-Star-Team coachen. In Kooperation mit dem Vorarlberger Eishockey-Verband möchten wir Kinder in Österreich ausbilden. Und sie nicht dazu zwingen, in die Schweiz zu wechseln. Es geht dabei nicht um die Pioneers, sondern um den Vorarlberger Nachwuchs. Ich investiere viel Zeit und Energie in diese Aufgabe.