Helm, Handschuhe und ein hauchdünner Rennanzug als einziger Schutz

Nach dem Tod von André Drege bei der Tour of Austria startet eine Sicherheitsdiskussion.
Schwarzach Es ist eine furchtbare Tragödie, die sich am Samstag auf der Abfahrt vom Großglockner zugetragen hat. Und obwohl das Risiko des Straßenradsports spätestens nach dem Tod von Gino Mäder bei der Tour de Suisse im Vorjahr allen Fahrern, Veranstaltern und Mitgliedern des Tour-Trosses bewusst ist, auf einen tödlichen Unfall wie jenem von André Drege auf der Abfahrt vom Großglockner ist niemand vorbereitet.
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Das Entsetzen über den Tod des Norwegers war weit über die Tour of Austria hinaus zu spüren, auch bei der Tour de France überschattete der Unfall das Tagesgeschehen. „Wir stehen alle ziemlich unter Schock“, sagte der Tour-Führende Tadej Pogacar. Drege hatte im bisherigen Saisonverlauf mit starken Leistungen auf sich aufmerksam gemacht und wäre zur kommenden Saison in die World Tour zu Jayco-AlUla gewechselt. Die meisten World-Tour-Profis kannten den Norweger persönlich. Doch bereits einen Tag später nahmen die Fahrer der Tour bei der gefährlichen Gravel-Etappe rund um Troyes wieder hohe Risiken in Kauf. „Wir haben einen ziemlich coolen Job, aber die meiste Zeit ist es wirklich gefährlich“, brachte Pogacar die Realität auf den Punkt.

Die Suche nach mehr Sicherheit
Im Windschatten des Unfalls wurde eine Sicherheitsdiskussion im Radsport neu entfacht, die mit dem Tod von Mäder 2023 und den zahlreichen Verletzungen von Superstars wie Jonas Vingegaard, Primož Roglič oder Remco Evenepoel im Frühjahr bereits Fahrt aufgenommen hatte. Doch es fehlt an praktikablen Lösungen, wie der Radsport mit einfachen Maßnahmen sicherer gemacht werden kann.

Nach einigen schweren Unfällen mit tödlichen Kopfverletzungen wie jenem von Fabio Casartelli bei der Tour de France 1995 oder Andrej Kiwilew bei Paris-Nizza 2003 reagierte der Weltverband UCI 2003 mit der Einführung einer Helmpflicht, die damals auf viel Widerstand zahlreicher Fahrer stieß. Heute wäre es unvorstellbar, ein Rennen ohne Helm zu bestreiten. Ein weiterer Schritt in Richtung mehr an Sicherheit waren die Scheibenbremsen, die sich Ende der 2010er-Jahre durchsetzten und die vor allem bei Nässe deutlich besser und sicherer verzögern als Felgenbremsen. Dadurch wurden allerdings auch die Bremspunkte spürbar nach hinten verschoben. Am Ende geht es bei einem Rennen schließlich darum, als Erster anzukommen, die Profirennfahrer werden nicht freiwillig auf Tempo verzichten.

Die UCI versucht zu reagieren
Eine Einführung von neutralisierten Passagen, wie von einigen gefordert, ist kompliziert und würde den Charakter des Sports grundlegend verändern. Am Ende hätte damit nicht immer der Fahrer gewonnen, der als Erstes ins Ziel fährt. Das wäre für Fans und Zuschauer nur sehr schwer nachzuvollziehen.
Die Geschwindigkeit im Straßenradsport hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen – bergauf, im Flachen und bergab. Das liegt vor allem an der Professionalisierung der Fahrer und am deutlich verbesserten Material. Ein heutiges Straßenrad kann gerade bei Profirennen aufgrund seiner aerodynamischen Optimierung mit weniger Leistung deutlich höhere Geschwindigkeiten erreichen als noch vor 20 Jahren. Die UCI reagiert auf den Fortschritt mit einzelnen Einschränkungen. So besteht schon lange ein Minimalgewicht für das Fahrrad von 6,8 Kilogramm. Dazu wurde vor einigen Jahren die „Super-Tuck“-Position verboten, bei der sich die Fahrer auf den Lenker legten, um aerodynamisch besser abfahren zu können. Ebenso ist das Aufstützen mit Unterarmen und Ellenbogen auf dem Lenker nicht mehr erlaubt.
Eine größere Materialrevolution wäre allerdings erst mit der Einführung eines Airbags ähnlich dem alpinen Rennsport zu erwarten. Allerdings ist diese aufgrund der erforderlichen Kühlung der Profis und der Optimierung jedes Gramms komplizierter als bei den Wintersportlern. In diesem Bereich wird geforscht, ein zufriedenstellendes Produkt gibt es aber noch nicht. Die Fahrer stürzen sich somit weiter lediglich mit einem Helm, Handschuhen und einem hauchdünnen Rennanzug in Abfahrten, auf denen sie regelmäßig über 100 km/h erreichen.
