Johannes Emerich

Kommentar

Johannes Emerich

Die gefährlichste Stadt Europas

Sport / 07.08.2024 • 18:21 Uhr

Zwei Wochen durfte ich ihnen vom Alltag während der Olympischen Spiele in Paris berichten. Dienstagfrüh bin ich nun – endlich – nach Marseille gefahren. Sie erinnern sich vielleicht, mein erster Versuch ans Mittelmeer zu kommen, wurde von einer defekten TGV-Oberleitung gestoppt. Marseille ist für mich Neuland, in der südfranzösischen Metropole war ich noch nie. Also führte ich vor meiner Reise eine schnelle Google-Suche durch und stieß schnell auf einen Artikel, der Marseille als die gefährlichste Stadt Europas beschreibt. Die 900.000-Einwohner-Stadt habe demnach in einer Auswertung der Datenbank Numbeo am schlechtesten abgeschnitten und habe nach Rang zwei im Vorjahr jetzt die Spitze dieser wenig ruhmreichen Wertung übernommen.

Mit etwas Unbehagen stieg ich also am Bahnhof Saint Charles aus und wurde herzlich von Olympia-Volonteers begrüßt. Gut, das werden wahrscheinlich keine Einheimischen gewesen sein, aber sie hinterließen gleich einen positiven Eindruck. Im Gegensatz zur Weltstadt Paris mit ihren unzähligen Metro- und RER-Linien gibt es in Marseille nur zwei U-Bahn-Linien und ist damit sehr übersichtlich. Allzu viele Eindrücke konnte ich aus Zeitgründen bisher nicht sammeln, bisher habe ich mich mit Ausnahme der unbarmherzigen Hitze aber nicht unwohl gefühlt.

Die öffentlichen Verkehrsmittel und die Straßen wirken weniger „herausgeputzt“ als in der Olympia-Hauptstadt Paris. Aber Marseille hat gegenüber der Seine-Metropole einen großen Vorteil: Ein sauberes Gewässer, das zum Baden und Schwimmen einlädt. Im Gegensatz zur „Dreckssuppe Seine“ (Originalzitat einer Triathletin) vermittelt das azurblaue Mittelmeer Lust auf Wassersport.

Die Stimmung in Marseille ist aber eine andere als in Paris. Auch unter den Medienvertretern und Freiwilligen vor Ort. Es wirkt hier alles „normaler“, die physische Distanz zum olympischen Feuer im Jardin des Tuileries neben dem Louvre schmälert den Zauber der Spiele. So zumindest mein Eindruck. Aber vielleicht ist es auch einfach die Müdigkeit, die nach 14 intensiven Tagen in Frankreich langsam ihren Tribut fordert. Sollte es sich am Donnerstag mit der erhofften Medaille für Lukas Mähr ausgehen, ist der Zauber ohnehin von einer Sekunde auf die andere wieder zurück. Nicht nur deshalb drücke ich unserem Bregenzer Segler von ganzem Herzen die Daumen, dass sich sein Traum vor den olympischen Ringen von Marseille erfüllt.