Mein Tag mit Olympiasieger Lukas Mähr

Lukas Mähr nahm sich nach seinem Olympiasieg Zeit für die Vorarlberger Nachrichten.
Marseille Den 8. August 2024 wird Lukas Mähr in seinem Leben nicht mehr vergessen. Es wird für immer jener Tag bleiben, an dem all seine sportlichen Träume wahr geworden sind. Nach dem Triumph des Bregenzer Seglers und seiner Kärntner Steuerfrau Lara Vadlau war immer wieder von 1000 Puzzlesteinchen die Rede, die zusammenpassen mussten, um Olympia-Gold zu gewinnen. Ich – verzeihen Sie mir, dass ich ausnahmsweise auch außerhalb des Olympia-Blogs persönlich werden – gehöre wahrlich nicht zu diesen Einzelstücken, aber ich durfte den Puzzlespielern dabei zusehen, wie sie am Finaltag die letzten Teilchen zu einem goldigen Gesamtkunstwerk zusammensetzten. Denn dieser Tag wird nicht nur für Lukas Mähr unvergesslich bleiben. Auch alle, die vor Ort waren und mit den Österreichern mitgezittert haben, werden die Erinnerung an diese Stunden lange in ihren Herzen tragen.

Wenn man den Tag des Triumphs rekapitulieren möchte, muss man unbedingt am Vortag beginnen. Das Medal Race der 470er war ursprünglich am 7. August terminiert gewesen. Auch ich hatte meine Reiseplanung danach ausgerichtet und war bereits am Dienstag in der Früh mit dem TGV aus Paris angereist, für Mittwochabend hatte ich eine Rückfahrt gebucht. Doch bereits kurz nach meiner Ankunft zeigte sich, dass der Wind in Marseille launisch ist und während der Olympischen Spiele nur wenig Lust auf konstante Bedingungen hat. Da für Mittwoch insgesamt vier Medaillenrennen auf dem Plan standen und die 470er-Klasse mit Vadlau/Mähr erst als letzte über die Bühne gehen sollte, war mir früh klar: Das würde sich nicht ausgehen. Schnell verlängerte ich mein Hotel und verlegte die Zugfahrt 24 Stunden nach hinten, um die große Fahrt der Segler zu sehen. Das dachten sich auch zahlreiche andere österreichische Journalisten, die am Mittwochabend in Marseille ankamen. War die Medienrunde am Vortag noch ein Privatgespräch zwischen Lara Vadlau/Lukas Mähr und mir, so brauchte es nun Geduld, um die eigenen Fragen anzubringen.

Mitten im “Mähr”-Meer
Doch zurück zu den Hauptprotagonisten des Tages: Vadlau und Mähr mussten an diesem Tag früher aufstehen als während ihrer vorangegangenen Wettkämpfe. Ob sie vor dem entscheidenden Medal Race entspannt schlafen konnten, ist ohnehin fraglich. Als ich gegen 10 Uhr im Hafen eintraf, war im Pressezentrum bereits Anspannung spürbar. Im Hafen hatte sich am Vormittag die Großfamilie und einige enge Freunde von Lukas Mähr eingefunden. Sie berichteten von einer unruhigen Nacht voller Anspannung, Vorfreude und Nervosität.

Vater Wolfgang Mähr bekam zahlreiche Anrufe aus der Heimat, ihm wurden stets die neuen Entwicklungen in Lukas’ Heimathafen, dem Yachtclub Bregenz, der ein Public-Viewing veranstaltete, mitgeteilt. Ich entschied mich dazu, das Rennen mit dem “Mähr-Fanklub” anzusehen und mich nicht in den Pressebereich zurückzuziehen. Dort hätte man zwar mehr gesehen, doch die Stimmung war an der Kaimauer der Marina de Marseille deutlich intensiver. Inzwischen waren auch Lukas Mährs Segel-Freunde Benjamin Bildstein und David Hussl zur Gruppe gestoßen und drückten die Daumen. Sie zeigten sich deutlich optimistischer als die engere Familie, die noch nicht wahrhaben wollte, dass die Ausgangsposition eine sehr gute ist. Das Rennen selbst war geprägt von Schweigen, Zittern, Hoffen und am Ende großer Freude. Lukas’ Eltern Wolfgang und Iris Mähr sowie seine Schwiegereltern Ernst und Karin Strebinger lagen sich in den Armen, seine Frau Christine weinte Freudentränen. Die Emotionen eruptierten und – bei aller Neutralität – auch meine Augen wurden feucht, ob der großen Freude und Erleichterung, die sich vor mir breitmachte.

Interview-Marathon
Auf Lara Vadlau und Lukas Mähr wartete nach den ersten Feierlichkeiten und dem emotionalen Aufeinandertreffen mit der Familie ein wahrer Interview-Marathon. Die neuen Olympiasieger mussten zunächst mehreren Fernsehstationen Rede und Antwort stehen, anschließend wartete ich mit einigen anderen deutschsprachigen Journalisten auf das Duo. Die eigenen Fragen unterzubringen, ist in diesem Moment schwer. 15 Minuten später mussten die Segler bereits weiter, die Dopingprobe darf man keinesfalls auslassen.

Bis zur offiziellen Pressekonferenz blieb eine halbe Stunde zur Erfrischung und zum kurzen Austausch mit den Familien, danach wollten auch die internationalen Journalisten wissen, wie das “Feeling as an olympic champion is”. Danach gab es eine zweite österreichische Medienrunde, das Interesse an den ersten rot-weiß-roten Olympiasiegern der Spiele 2024 war riesig. Doch auch diese improvisierte Pressekonferenz musste nach 20 Minuten enden, ohne dass ich mit Lukas Mähr über das Erlebte, seine Gefühle und seine Gedanken sprechen konnte. Der Bregenzer nahm sich anschließend lange Zeit für mich, einzige Bedingungen. “Können wir uns in den Schatten setzen?”. Es war ihm wichtig, mit den VN zu sprechen, um mir und damit Ihnen als Leser exklusive Einblicke zu gewähren. “Die Vorarlberger Nachrichten haben mich schon von klein auf begleitet, sie waren immer da. Das vergesse ich auch im Moment des Olympiasieges nicht”, sagte der 34-Jährige.
Bevor sich Lara Vadlau und Lukas Mähr drei Stunden nach ihrem Triumph endlich zurückziehen konnten, um das Erlebte zu verarbeiten, bekamen sie von ÖOC-Pressesprecher Stephan Schwabl noch die Instruktionen für den weiteren Tag. Für den Ö3-Wecker sollten sie bereitstehen, das ORF-Studio in Wien plante eine Live-Schalte nach Marseille um 22 Uhr. Davor stand jedoch noch die emotionale Siegerehrung am Mittelmeerstrand auf dem Programm. Und im kleinen Kreis gefeiert sollte ja schließlich auch noch werden. “Olympiasieger zu werden, muss wunderschön sein – aber auch anstrengend”, dachte ich mir am späten Abend, als ich wieder im Zug zurück nach Paris saß und meinen Text über diesen denkwürdigen Tag fertigstellte.
