Die unglaubliche Geschichte des Marlon Mustapha

Sport / 05.03.2025 • 14:08 Uhr

Späte Blitzkarriere, fast ein Bein verloren, Wehrdienst-Causa, viele Vereine und ein Traum. Die irre Karriere des Altach-Stürmers.

Altach Wenn Altachs Marlon Mustapha am Sonntag gegen Salzburg aufläuft und dabei auf seinen Mainzer Ex-Kollegen Karim Onisiwo trifft („Er hat sich dort um mich gekümmert und mir wertvolle Tipps gegeben“), wird er an einen Anruf besonders zurückdenken. Damals, er war gerade einmal 15 Jahre alt, hatte er eine Fußballerkarriere eigentlich schon abgeschrieben. Denn die Chance, als Talent zur Austria Akademie zu gehen, hatte er nach einem Trainingslager in Hollabrunn und sogar einem Testspiel für die Violetten verstreichen lassen.

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Weil ihm Wien-Favoriten von Döbling zu weit weg war, weil es nur eine Leihe gewesen wäre und weil er sich in der Mannschaft nicht wohlfühlte: „Deshalb habe ich bei Red Star Penzing in der fünften Liga gespielt. Ich erinnere mich, wie ich damals gerade von der Schule heimgekommen bin und am Handy einen Anruf aus Deutschland gesehen habe.“ Sein erster Gedanke? Er dachte an einen betrügerischen Anruf. „Ich hatte die Worte meiner Mutter im Ohr, die immer gesagt hat, ich darf bei ausländischen Nummern nicht abheben.“

Die unglaubliche Geschichte des Marlon Mustapha
Sechs Jahre liegen zwischen dem Bild von Marlon Mustapha als U19-Teamspieler . . .

Die Skepsis wurde nicht kleiner, als sich der Anrufer schließlich als Red-Bull-Akademieleiter Ernst Hammer vorstellte: „Ich habe ihm nicht geglaubt und aufgelegt. Als er mir dann die gesamten Dokumente mit Zugticket usw. geschickt hat, war mir plötzlich klar, es ist echt.“ Dann ging alles ganz schnell: RB-Salzburg-Akademie, Mainz, U20-Nationalteam, erster Profivertrag, erster Ausrüstervertrag bei Puma. „Gefühlt ist jede Woche etwas Neues passiert.“

Die unglaubliche Geschichte des Marlon Mustapha
. . . und seiner Vorstellung im Jänner 2025 als Spieler des SCR Altach. gepa/2

Dabei ist Mustaphas Weg eher die Antithese eines Fußballers, sein Interesse für das runde Leder privat stark begrenzt: „Ich schaue mir selten andere Matches an.“ Über seinen späteren Admira-Trainer Andi Herzog musste er sich gar erst im Netz genauer informieren. Bis zu seinem elften Lebensjahr hatte er nicht einmal einen Ball berührt. Während seine Klassenkollegen in der Währinger Straße, in der Nähe vom Wiener AKH, wo seine alleinerziehende Mutter Karin als Krankenschwester werkte – der Vater aus Ghana verließ die Familie früh, deshalb übernahm auch Marlons 18 Jahre ältere Schwester Ramona Erziehungsaufgaben – jeden Tag im Käfig kickten, hat er lieber Kampfsport gemacht.

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Der junge Mustapha in Hard im Rahmen des U18-Länderspiels zwischen Österreich und der Schweiz (2018). gepa

„Irgendwann habe ich mal mitgespielt und gemerkt, das macht richtig Spaß und ich bin ja doch nicht der absolute Körperklaus.“ Als ihm seine Schwester dann ein Titelblatt mit Cristiano Ronaldo “vor den Latz knallte”, war er endgültig Feuer und Flamme: „Da stand Ronaldo und tanzte mit dem Ball. Daraufhin hab ich mir YouTube-Videos angeschaut und gewusst, das will ich auch machen.“

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Nur zehn Minuten Spielzeit braucht Marlon Mustapha für sein erstes Tor im SCRA-Dress. gepa

Sechs Vereine und ein Dutzend Trainer später geht der Como-Leihspieler jetzt für Altach auf Torjagd: „Etwas absolut Neues.“ Denn mit seiner kleinen Familie (Freundin und Hund) war er bis jetzt nur in größeren Städten. Dass er wie bei Düsseldorf auch bei Altach nur gerade mal zehn Minuten für sein erstes Tor brauchte, sollte beim 23-Jährigen, der sich nach den vielen Wechseln nach Kontinuität sehnt, ebenso hilfreich sein wie die endlich geklärte Bundesheer-Causa.

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„Wir sind in die Kaserne nach Wien gefahren und haben eine Lösung gefunden.“ Nächsten Winter dürfte Marlon einrücken. Der Wirbel um den nicht angetretenen Wehrdienst war allerdings nichts gegen das, was er mit einer Verletzung mitmachte.

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Mit Karim Onisiwo spielte Marlon Mustapha nicht nur in Mainz, er war auch schon zuvor bei RB Salzburg ein Wegbegleiter des Altach-Stürmers. gepa

Nach 14 Scorerpunkten für die Admira war er als Einwechselspieler von Mainz in der Deutschen Bundesliga 2022 gerade am Sprung in die Startelf. Doch ein Schlag auf den Oberschenkel ließ den Muskel und Traum jäh platzen. Mehr noch! Ein Kompartmentsyndrom, das man sonst von Autounfällen kennt, machte Marlon zum Notfallpatienten. „Hätten wir ein paar Tage länger mit der OP gewartet, wäre das Bein weg gewesen.“ Der blockierte Blutfluss sorgte für schwere Kreislaufprobleme. „Das Bein war so angeschwollen, dass es zehn Zentimeter größer war als das andere, ich hab zehn Kilo verloren, war vier Wochen im Krankenhaus und habe heute noch drei große Narben am Bein.“ Vier Operationen und ein schmerzhaftes halbes Jahr mit täglicher, privater Reha später waren das Bein und die Karriere schließlich gerettet – und Marlon ist dankbar, dass er überhaupt noch laufen kann: „Fußball ist wichtig, aber nicht das Wichtigste im Leben.“

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Einer, der keinen Zweikampf scheut: Marlon Mustapha. gepa

Für den Klassenerhalt mit Altach ist er zuversichtlich: „Wenn es ein Team schafft, dann Altach. Es ist zu viel Qualität da, als dass man da nicht dran glauben würde.“ Auch fühlt er sich hier sehr wohl: „Die Mannschaft, der Staff, ich habe selten wo erlebt, dass alle so offen und freundlich sind. Das muss etwas Gutes werden.“  Christoph König

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