Schlaganfälle und Herzinfarkte rückläufig

Europaweites Phänomen. Auch Mediziner in Feldkirch finden keine Erklärung.
Feldkirch Die starke Fokussierung auf Covid-19-Patienten hat ein besonderes Phänomen mit sich gebracht. In den Krankenhäusern wurden seit Ausbruch der Coronapandemie deutlich weniger Schlaganfälle und Herzinfarkte behandelt als vorher. Auf der Stroke Unit im LKH Feldkirch waren es in der ersten Aprilhälfte gerade einmal zwölf. „Das sind um mehr als die Hälfte weniger“, bestätigt Primar Philipp Werner. Bei den Herzinfarkten lässt sich eine ähnliche Entwicklung beobachten. Hier ist laut Primar Matthias Frick, Leiter der Internen I, besonders auffällig, dass zwischen den ersten Symptomen und einer medizinischen Intervention oft mehr als zwölf Stunden vergehen. „Im Normalfall sind die Patienten innert einer Stunde bei uns“, verdeutlicht er. Eine handfeste Erklärung haben die erfahrenen Mediziner nicht. Sie vermuten, dass die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus eine große Rolle spielt. Beide sind jedenfalls froh, wenn sie ihre Abteilungen bald wieder in vollem Umfang aktivieren können.
Unterschiedliche Daten
In der Akut-Neurologie des Landeskrankenhauses Feldkirch werden jährlich 600 bis 700 Schlaganfälle behandelt. Das monatliche Patientenaufkommen liegt bei durchschnittlich 45 bis 50 Personen. Im März waren es noch 60 Patienten, dann riss der Faden. „Warum das so ist, können wir nicht sagen“, muss Primar Philipp Werner passen. Auch österreichweit sei die Datenlage sehr unterschiedlich. „In Mödling sind die Zahlen stark eingebrochen, in Linz ist die Schlaganfallrate gleich geblieben“, weiß er aus Gesprächen mit Kollegen von anderen Stroke-Unit-Einheiten. Werner räumt ein, dass es im Jahresablauf immer wieder Phasen mit weniger Schlaganfällen gibt. Die Frage, ob die aktuellen Schwankungen normal oder der Coronakrise zuzuschreiben sind, lasse sich daher kaum schlüssig beantworten. „Wir sind aber daran, die Zahlen gründlich aufzuarbeiten“, erklärt der Neurologe.
Tage ohne Herzinfarkt
Damit ist auch Primar Matthias Frick beschäftigt. Ziel der Studie ist es, die Auslöser für den Rückgang an Herzinfarkten zu definieren, um bei künftigen Pandemien zielgerichteter reagieren zu können. Noch sei der Zeitraum zu kurz, um begründete Schlüsse aus den sinkenden Zahlen zu ziehen. Frick verweist darauf, dass schon länger keine Touristen mehr im Land sind. „Zwischen Weihnachten und Ostern ist bei uns normalerweise am meisten los“, erklärt der Kardiologe. Statistisch gesehen sind ein bis eineinhalb Herzinfarkte pro Tag zu behandeln. Jetzt liegt dieser Wert bei 0,8. Frick: „Es gibt sogar Tage, da kommt gar nichts.“ Spürbar zugenommen hat allerdings die Zahl jener Herzinfarkt-Betroffenen, die lange zuwarten und sich erst relativ spät an einen Arzt wenden. „Das beobachten wir jedoch schon seit Jänner“, sagt Matthias Frick, der hinter diesem Verhalten eine insgesamt sinkende Sensibilität der Bevölkerung auf Herzinfarktsymptome ortet. Daneben sieht er aber auch in der Angst vor einer Coronavirus-Infektion ein relevantes Problem. Sei der Patient einmal im System, funktioniere der Ablauf jedoch trotz Einschränkungen sehr gut.
Inklusive Schlaganfällen verzeichnet die Kardiologie jährlich 700 bis 800 Patienten. Ab Ende des Monats sollen in der Abteilung, die aufgrund der Coronakrise alle geplanten Eingriffe abgesagt hat, die Kapazitäten langsam wieder hochgefahren werden.
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