Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Die bösen Geister

VN / 08.11.2020 • 20:00 Uhr

Muss man sich entscheiden, welche Katastrophe nun Vorrang hat.
Nach dem Anschlag in Wien dachte wohl kaum einer an Corona, an Ansteckung, wo habe ich meine Maske hingelegt, an Abstand, man rückt zusammen, will nicht allein sein. Wir wissen, was WIR bedeutet.
Und da gibt es auch noch die Wahl in den USA, die Angst, Trump könnte tatsächlich gewinnen. Dieser Mann, der in den letzten vier Jahren nachweislich tausende Male gelogen hat. Die Stimmen waren noch nicht ausgezählt, da lud er schon zu einer Party in die Trump-Gemäuer ein. Also auch noch ein genialer Geschäftsmann, skrupellos, sofort und überall profitieren. Wenn ich an Trump denke, überfällt mich Zorn und Sprachlosigkeit. Wäre er ein freches Kind, würde man ihn bestrafen, man würde ihn in sein Zimmer sperren, ihm drohen, erst dann die Tür aufzusperren, wenn er sich für alle seine Gemeinheiten entschuldigt hätte. Aber er ist ja kein Kind, tut nur so, ein gefährliches narzisstisches Kind ist er. Da gibt es nur eines: davonlaufen, so schnell du nur kannst. Die Ohren zuhalten, damit du seine wüsten Sprüche nicht hören musst.

„Wenn ich an Trump denke, überfällt mich Zorn und Sprachlosigkeit.

Ja, das stimmt, der hat kein Gewissen, der wacht nicht in der Nacht auf und macht Gewissenserforschung. Dort, wo bei normalen Menschen das Gewissen wohnt, ist bei ihm ein riesiger Geldsack, der immer wieder neu aufgefüllt werden muss. Weiß er nicht, dass er lügt? Kann er Lüge nicht von Wahrheit unterscheiden? War er nie verzweifelt, ist er nie seiner Mutter auf den Schoß geklettert, hat er nie seinen Kopf in ihr vergraben?

Ich frage mich, wie hält das alles seine Frau aus. Was ist mit seinen Kindern? Mit seinem Sohn, der ja noch nicht einmal in der Pubertät ist. Hat er die Kraft, sich irgendwann von seinem Vater zu distanzieren? Was ist, wenn der Mann steinalt wird und auf Hilfe angewiesen ist und ihm keiner hilft, weil er ja auch keinem geholfen hat?

Der Attentäter von Wien, dessen Namen wir nicht nennen sollen, dessen Bild wir nicht veröffentlichen sollen, den wir einfach wegwischen müssen, als hätte er nie existiert, dem wir seine durch diesen erbärmlichen Anschlag erhoffte Berühmtheit versagen – die nächste Katastrophe. Auch seine Anhänger sollen wir vergessen, als hätten sie nie existiert, die bösen Geister. Wir müssen den Opfern gedenken, ihren Angehörigen. Beten könnten wir auch. Aber nicht zu dem Gott, der den Attentäter mit offenen Armen empfängt.

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.