Warum Thomas Martin in Polen hilft, statt an der Copacabana zu urlauben

Die Not der ukrainischen Flüchtlinge bewirkte ein Umdenken.
Dornbirn Eigentlich wollte er an der Copacabana in der Sonne liegen und Caipirinha trinken. Stattdessen ist Thomas Martin (38) in Polen unterwegs und transportiert aus der Ukraine geflüchtete Menschen in andere Städte und in Hotels oder zum Flughafen. Kurz vor dem Abflug nach Brasilien saß Martin auf der Terrasse seiner Wohnung in Dornbirn-Knie und blickte über das Rheintal. Dabei schossen ihm die Bilder der Kriegsgräuel durch seine Gedanken. „Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn hier die Panzer rollen würden“, erzählt er und spricht von einem Gefühl der Machtlosigkeit. Doch der junge Mann ergab sich nicht der Ohnmacht. Er stornierte den Urlaub und machte sich auf nach Polen. Dort hilft Thomas Martin, wo er kann. Finanzielle Unterstützung bekommt er von Freunden aus Vorarlberg und dem Saarland. Von dort stammt er, lebt aber bereits seit sieben Jahren in Vorarlberg.

Tragische Geschichten
Was er in Przemysl, einer der ältesten Städte Polens zu sehen bekam, schockierte ihn im ersten Moment. Die in einem leerstehenden Supermarkt eingerichtete Flüchtlingsunterkunft quoll über vor Hilfesuchenden. „Viele Menschen wollen das Lager nicht mehr verlassen, weil sie Angst haben oder hoffen, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können“, berichtet Thomas Martin. Andere möchten weiter in größer polnische Städte wie Warschau oder Krakau, oder ins Ausland, zu Verwandten, Bekannten, Freunden. Für sie macht Martin Kilometer. Schon jetzt zeigt der Tachostand über 5000 an. Der Bus hat Platz für acht Personen und ebenso viele tragische Geschichten.

Am Dienstag vergangener Woche etwa traf Martin auf ein Ehepaar, beide 75 und gewaltsam aus ihrem ukrainischen Heimatdorf vertrieben. „Sie hatten nur einen kleinen Koffer dabei.“ Ihr Ziel war Riga. Die Fahrt mit einem Bus erschien Thomas Martin zu umständlich. Deshalb quartierte er die alten Menschen in einem Hotel ein. Zudem buchte er einen Flug in die lettische Hauptstadt. Als er ihnen am nächsten Tag die Flugtickets überreichte, flossen Tränen der Dankbarkeit. „Das war ein besonderer Augenblick“, sagt Martin. Mittlerweile weiß er, dass Viktor und seine Frau gut in Riga angekommen sind. Besonders zu Herzen gehen ihm auch die Schicksale von Frauen und Kindern, die sich von ihren Ehemännern und Vätern an der Grenze trennen mussten. Im Gepäck ein paar Habseligkeiten und die Hoffnung auf ein Wiedersehen.

Spontane Hilfe
Das Geld, das er braucht, streckt Thomas Martin vor. Vor Ort kauft er ein, was am dringendsten gebraucht wird. Das sind Lebensmittel und Medikamente. Täglich kommen Lkw mit Hilfsgütern aus ganz Europa an. „Europa ist geeint in dem Ziel, den Geflüchteten zu helfen“, stellt er dankbar fest. Auch die Helfer kommen von überall her. Martin weiß von zwei Freiwilligen aus New Jersey, die beim Entladen der Transporter unterstützten. Für seinen Einsatz wurden bislang rund 20.000 Euro an Spenden gesammelt. Auch ganz spontan wird geholfen. Als ihm gesagt wurde, dass Stromaggregate nötig wären, schaute er vor seiner Abreise beim Baumarkt Obi in Dornbirn vorbei. Was er dort erlebte, beschreibt Thomas Martin als außergewöhnlich. „Als ich mein Anliegen erklärte, bekam ich auf alle drei Teile 50 Prozent Rabatt. Die Dame an der Kasse legte noch 70 Euro als Spende dazu. Das hat mich sehr berührt.“ Er dankt aber allen, die sich einbringen. Am Dienstag in einer Woche fährt Thomas Martin zurück. Nicht leer, versteht sich. Er hofft, eine ukrainische Familie bei Freunden im Saarland unterzubringen. „Man muss etwas tun“, lautet seine einfache Begründung.
