Mehr Prävention statt nur reparieren

VN / 08.08.2022 • 05:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Für ein gesundes Aufwachsen benötigen Kinder und Jugendliche ein stabiles Umfeld. <span class="copyright">Symbolfoto voki</span>
Für ein gesundes Aufwachsen benötigen Kinder und Jugendliche ein stabiles Umfeld. Symbolfoto voki

Kinder- und Jugendanwalt nimmt zur Personalnot im Kinder- und Jugendhilfebereich Stellung.

Feldkirch Die Personalnot in der Kinder- und Jugendhilfe bleibt ein Thema. Unlängst hatte der Dachverband der Kinder- und Jugendhilfe auf die teils prekäre Situation in den Einrichtungen aufmerksam gemacht. Die politischen Reaktionen im Land, die auf einen VN-Bericht folgten, manifestierten sich in einem Antrag an den Landtag durch die Neos sowie einer Anfrage an Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker durch die Freiheitlichen. Auf die Antworten besonders gespannt ist Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer. Er bestätigt, dass trotz vielfältiger Ausbildungsangebote zu wenig geeignetes Personal im Kinder- und Jugendhilfebereich zur Verfügung steht. Das zeige sich auch daran, dass es oftmals keine einzige Bewerbung mehr auf eine ausgeschriebene Fachstelle gebe.

Netzer selbst sieht die größte Problematik im gesellschaftlichen Wandel, der sich darin äußert, dass Wochenend- und Nachtdienste, Überstunden sowie 100-Prozent-Beschäftigungen im Sinne einer Work-Life-Balance nicht mehr gerne angenommen würden. Wie der Kinder- und Jugendanwalt aus Rückmeldungen von Einrichtungen weiß, leidet besonders der stationäre Bereich. „Dorthin wollen nicht mehr so viele.“ Dieser Entwicklung müsse das System Rechnung tragen.

Früher einsteigen

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern kam es in Vorarlberg noch zu keinen personalbedingten Schließungen von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. „Die Situation ist aber angespannt, und das ist dem Land bewusst“, sagt Christian Netzer. Bislang gab es auch noch keine Beschwerden von Eltern, wonach ihre Anliegen nicht bearbeitet oder sie vertröstet wurden. „Die im Einsatz stehenden Mitarbeiter sind motiviert und versuchen, die Engpässe zu kompensieren“, hat Netzer eine Erklärung dafür. Ganz gelingt das nicht immer, wie sich am Beispiel des Vorarlberger Kinderdorfs zeigt, das, wie berichtet, aktuell zehn Kinder für eine ambulante Begleitung auf der Warteliste hat. „Jede Wartezeit ist in der Entwicklung eine verlorene Zeit“, gibt der Kinder- und Jugendanwalt zu bedenken. Deshalb könne es nie genug präventive Angebote geben. „Müssen Kinder und Jugendliche stationär aufgenommen werden, hat man in der Prävention etwas übersehen oder nicht ganz ausgeschöpft.“ Christian Netzer spricht von sehr vielen Angeboten, die auch gut genützt würden, aber: „Wir müssen uns anschauen, wo man früher einsteigen und besser ansetzen kann.“

<p class="caption">Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer sieht die Präventionsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft.<span class="media-container dcx_media_rtab" data-dcx_media_config="{}" data-dcx_media_type="rtab"> </span><span class="marker"> <span class="copyright">VN/Steurer</span></span></p>

Kinder- und Jugendanwalt Christian Netzer sieht die Präventionsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft.  VN/Steurer

Nicht nur reparieren

Verbesserungsbedarf sieht er außerdem in der Vernetzung der Einrichtungen und Bündelung der Ressourcen. Als Beispiel nennt er den Übergang von der Kinder- und Jugendpsychiatrie zurück in den Kinder- und Jugendhilfebereich. „Überall gibt es Schnittstellen mit Optimierungspotenzialen.“ Wie viele Experten rechnet auch Christian Netzer mit einem steigenden Bedarf an Kinder-und Jugendhilfe. Die Frage sei jedoch, warum dem so sei. Alles immer noch der Pandemie anzulasten hält er für unzulässig. Aus seiner Sicht gilt es vor allem auch gesellschaftliche Entwicklungen zu hinterfragen und nicht nur zu reparieren, sondern mehr in die Prävention zu gehen.