Rote Burg mit archaischer Anmut

VN / 29.04.2023 • 05:30 Uhr

Architektur gewordenes Selbstverständnis: Die von Innauer Matt Architekten entworfene und aus rotem Sichtbeton gebaute neue Firmenzentrale von Jäger Bau in Bludenz.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Adolf Bereuter

Bludenz Mit der Firmenzentrale von Jäger Bau hat Bludenz eine neue Landmark bekommen. Gelegen am Rand der Innenstadt, wo die Bebauung langsam lichter, architektonisch diverser wird. Der komplett aus terrakottarot gefärbtem Sichtbeton erbaute Dreigeschosser umschließt im Sinne einer Blockrandverbauung“ einen ellipsenförmigen Innenhof. Durch die Konsequenz der architektonischen Durchformung wirkt selbiger fast sakral. Wobei jener Teil des Baukörpers, der, weil in die Kubatur hineingeschoben, sozusagen als fünfte Seite daherkommt, mit seinen zwei zusätzlichen Obergeschoßen fast die Anmutung eines Turms bekommen hat.

Fast wie eine Landmark steht die neue Firmenzentrale von Jäger Bau direkt an der Bludenzer Herrengasse. Wobei sich der breit hingelagerte Dreigeschosser partiell durch zwei weitere Geschoße zum „Turm“ aufwölbt.

Nachdem Jäger Bau im Frühjahr 2019 beschlossen hatte, seine Firmenzentrale von Schruns nach Bludenz zu verlegen, ging es ganz schnell. Nach dem Kauf eines rund 4000 Quadratmeter großen Grundstücks in der Herrengasse wurde ein geladener Wettbewerb ausgelobt, den das Bezauer Büro Innauer Matt Architekten gewonnen hat. Mit einem Projekt, dessen markante Architektursprache ganz dem Selbstverständnis des erfolgreichen, dynamischen und einer nachhaltigen Entwicklung verpflichteten Unternehmens entspricht. Ein Gebäude, das so schön sei, dass die Mitarbeiter gar nicht mehr heimgehen wollen, sagt Thomas Lang, einer der Geschäftsführer von Jäger Bau lachend.

„Herz“ des Gebäudes ist das riesige Foyer mit seinem aus rund 150, in halbkugelige Negativformen in die Decke eingelassenen „Sternenhimmel“. Zum mit Platten belegten Innenhof öffnet sich das Foyer durch riesige Schwingtüren.

Der Außenauftritt des raffiniert gegliederten Baukörpers ist nicht nur wegen seiner Farbigkeit markant. Massive Elemente und durchgehende Fensterbänder gliedern die Fassaden horizontal, reizvoll zum Flirren gebracht durch eng gesetzte, vorgefertigte und vertikale Bauteile aus Sichtbeton, die, indem sie abwechselnd oben bzw. unten zurückweichen, die Gleichförmigkeit der Fassadenrasterung raffiniert aufheben, sie je nach Standort des Betrachters immer leicht anders erscheinen lässt. Die Gebäudehaut sozusagen verlebendigt, nach einer exakten Choreografie zum Tanzen bringt.

Die modulartig variabel bespielbaren Büros sind zum Außenraum orientiert. Die für die Mitarbeiter liegen in den zwei Obergeschossen, die für die Chefs im „Turm“, wo auch die Mensa eingerichtet ist.

Die zwei stadteinwärts an der Herrengasse liegenden Seiten des Baukörpers sind so zueinander positioniert, dass ein kleiner, urban gepflasterter Platz samt Baum entstanden ist. Hier liegt auch der Haupteingang, über eine verglaste Schleuse hinführend zum 200 Quadratmeter großen, 3,80 Meter hohen Foyer, dessen Anmutung von archaischer Anmut ist. Nicht zuletzt durch seine Decke, die durch rund 300 Halbkugeln mit dem Durchmesser von 28 Zentimetern strukturiert wird, die als Negativformen die Decke skulptural durchpulsen, wobei jede zweite mit einer Lichtquelle bestückt ist. Um auf diese Weise zum klar gerasterten „Sternenhimmel“ zu werden. Runde Lüftungslöcher sind auch in die Wände eingelassen, der Boden ist ein geschliffener Estrich. Und das alles natürlich in Rot. Allein das monumentale Empfangsmöbel ist aus naturbelassenem Eichenholz getischlert.

Rote Burg mit archaischer Anmut
Die raumhoch verglasten Besprechungsräume sind zum Innenhof mit seinen von schlichten pulverbeschichteten Brüstungen begrenzten Galerien orientiert.

Dieses nicht zuletzt durch seine Dimensionen fast feudale Foyer taugt auch für kleinere Veranstaltungen für die rund 100 Menschen, die hier arbeiten. In den Büros, die zum Außenraum orientiert sind, während sich die Begegnungs- und Besprechungsräume, die kleinen Teeküchen, das Archiv und die Eck-Lounges genauso wie die WCs raumhoch verglast zum ellipsenförmigen Innenhof mit seinen luftigen Galerien öffnen, wobei sich die über dem dritten Geschoß zur fabelhaften Dachterrasse auswächst. Die zwei über dem fast raumhoch verglasten Sockel liegenden Bürogeschoße sind intern durch eine Stiege verbunden und auch die für die Mitarbeiter eingerichtete Bar wird durch ihre massive Brüstung zur skulpturalen räumlichen Intervention.

Rote Burg mit archaischer Anmut
Die zwei unteren Bürogeschosse werden intern durch eine fast skulptural daherkommende Stiege verbunden. Atmosphärisch dominiert vom Rot des Sichtbetons.

Die Büros sind letztlich wie ein riesiges, aus Holz und Glas semi-transparent angelegtes Möbel in die Hülle aus Sichtbeton gestellt. Dominiert wie das gesamte Gebäude von nur wenigen puren Materialien und Farben. Der des roten Sichtbetons bzw. der von Eichenholz und des Sisals, mit dem u. a. die Gänge belegt sind. In einem Teil des  Erdgeschoßes hat das Tochterunternehmen von Jäger Bau „bad 2000“ seinen Showroom eingerichtet, im „Turm“ die Chefs ihre Büros. Die Möbel stammen, sofern nicht von Innauer Matt Architekten selbst entworfen, von CASA Möbel. Beheizt wird Jäger Bau ökologisch per Erdwärme.

Rote Burg mit archaischer Anmut
Wenige pure Materialien und Farben dominieren das Innere. Das Beige des Sisalbodens, das Rot des Sichtbetons, das Eichenholz bzw. vertikal gerippte Glas der Kuben, aus denen die Büros gebaut sind.
Rote Burg mit archaischer Anmut
Interne Transparenz ist ein wichtiger Faktor der Firmenphilosophie von Jäger Bau. Sie findet Ausdruck auch in der Architektur in der Form von Durch- und Ausblicken in sämtliche Richtungen.
Rote Burg mit archaischer Anmut
Allein zwei unterschiedliche Fassadenelemente bringen die Außenhaut von Jäger Bau zum Flirren. Gebaut aus vorgefertigten Elementen aus rot gefärbtem Sichtbeton, während der Rest vor Ort betoniert worden ist.

Daten und fakten

Objekt: Firmenzentrale Jäger Bau, Bludenz

Bauherr: Jäger Bau

Architektur: Innauer Matt Architekten, Bezau

Projektleitung: Matthias Greschner, Rainer Beer; www.innauer-matt.com

Statik: Kofler Baustatik, Götzis, www.kofler-baustatik.at

Fachplanung: Bauleitung: Jäger Bau, Bludenz; Heizung, Sanitär, Lüftung: GMI Peter Messner, Dornbirn; Elektro: René Fröhle, Schlins; Bauphysik: BDT, Frastanz

Planung: 08/2019–12/2021

Ausführung: 07/2020–12/2022

Grundstück: 2404 Quadratmeter

Nutzfläche: 8932 Quadratmeter (inkl. Tiefgarage)

Bauweise: Durchgefärbter Sichtbeton; Fassade: Betonfertigteilroste; Terrazzoböden; Massivholzdielen und Bürotrennwände in Eiche, Naturfaserteppich

Ausführung: Baumeister: Jäger Bau, Bludenz; Fenster: Jäger Bau Tischlerei, Schruns; Fenster Pfosten-Riegel: Manahl, Bludenz; Fassade: Sulser, Trübbach; Boden: Burtscher, Nüziders; Wände/Einbaumöbel: Plattner, Hohenems; Trennwände/Türen: Huber, Kirchbichl; Dach: Fritz, Bludenz; Stein: Bad 2000, Bludenz; Elektro: Licht und Wärme, Raggal

Energiekennwert: 18,2 kWh/m² im Jahr (HWB)

Baukosten: 20 Mill. Euro

Eine Baukulturgeschichte von vai Vorarlberger Architektur Institut.

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at. Mit freundlicher Unterstützung von der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen