„Niemand will einen vertragslosen Zustand“

Ärztekammer hofft auf Unterstützung ihrer Anliegen durch die Landespolitik.
Dornbirn Die Diskussion, die sich an einem Begleitgesetz zur Gesundheitsreform im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen entzündet hat, spitzt sich zu. Die Ärztekammer sieht das Kassenarztsystem massiv bedroht und die Gesundheitsversorgung ungebremst weiter in Richtung Zwei-Klassen-Medizin rauschen. Ärztekammerpräsident Burkhard Walla möchte die gute Partnerschaft in Vorarlberg erhalten und sagt: „Wir sind gesprächsbereit, denn niemand will einen vertragslosen Zustand.“
Lässt sich nachvollziehen, warum der Gesundheitsminister so gegen die Ärzteschaft wettert?
Ich kann es nicht erklären, denn anfangs hat er sich eigentlich extrem kommunikativ gezeigt. Seit einem Jahr sind die Ärzte aber die Sündenböcke für alles, was im Gesundheitssystem nicht funktioniert, selbst, wenn die Problematik nachweislich nicht in der Ärzteschaft lag. Da wird nur emotionalisiert.
Rauch hat verlauten lassen, es gehe den Ärztekammern nur um Machterhalt.
Man kann genauso sagen, der Gesundheitsminister und die ÖGK wollen Macht. Mir ist wichtig, in Vorarlberg ein System zu erhalten, das mit unseren Partnern immer gut funktioniert hat, zumindest dort, wo es noch regionalen Spielraum gab. Vielleicht wurde seitens der Ärzteschaft manches zu stark verhindert, aber ein Gesundheitssystem, das ohne Ärzte anschafft, was Ärzte zu tun haben, ist insgesamt problematisch. Wir sind schon jetzt mit einer Systemflucht konfrontiert. Wir müssten eigentlich alles tun, um Ärzte zu motivieren, Vertragspartner zu bleiben.
Gibt es Reaktionen aus der Kollegenschaft?
Wir bekommen die Reaktionen kräftig zu spüren. Viele haben überlegt, in einen Vertrag zu gehen, sind jetzt aber unschlüssig geworden. Wir wissen aus der Vergangenheit, wie groß die Bereitschaft ist, das System zu verlassen, das gilt auch bei den jetzigen Vertragsbedingungen.
Wie sehen die Patienten das Problem?
Meine Erfahrung ist, dass Patienten, wenn man mit ihnen redet, unsere Bedenken durchaus verstehen. Sie merken, dass wir im Prinzip eine Mangelverwaltung betreiben und die Ärzte deutlich über die Maßen geben. Wir haben Ärzte, die bis an ihre Erschöpfungsgrenze gehen. Das bekommen auch die Patienten mit. Gleichzeitig ist der niedergelassene Bereich extrem leistungsfähig, hat aber zugegeben auch Schwächen, weil er etwa Nachtzeiten, Randzeiten usw. schlechter versorgt.
Das hängt womit zusammen?
Das hängt größtenteils damit zusammen, dass die niedergelassenen Ärzte auch einen Anteil an Lebensqualität wollen und sich abgrenzen müssen. Wir haben bis jetzt immer gute Lösungen hergebracht und viele Möglichkeiten geschaffen, Arbeit und Lebensqualität zu vereinbaren. Umso unverständlicher ist es, dass man dieses System zerschlagen will.
In Vorarlberg gab es für die Ärzte immer schon bessere Verträge. Ist das den höheren Lebenshaltungskosten oder einer guten Verhandlungstaktik geschuldet?
In Vorarlberg gibt es das System der Gesamtvergütung, das es uns erlaubt hat, Leistungen entsprechend wirtschaftlich zu dotieren. Wir haben, was die Fallkosten angeht, relativ gute Honorare, bei einem bundesweiten Gesamtvertrag sind jedoch Einbußen zu befürchten.
Warum?
Es hat sich gezeigt, dass das Geld, das vordergründig in den Honorarausgleich gehen soll, nirgends hinlangt. Nach oben nivelliert, bräuchte es deutlich mehr. Es steht also zu befürchten, dass es nach unten oder in die Mitte geht. Wenn uns die Verträge von heute auf morgen 20 oder 25 Prozent an Umsatzeinbußen bescheren, können wir auch als Unternehmer nicht mitmachen.
Wie wichtig ist die Solidarität der ÖGK-Landesstelle mit der Ärzteschaft?
Ich freue mich, dass die ÖGK-Funktionäre, sowohl Arbeitgeber- wie Arbeitnehmervertreter, zu unserem gut funktionierenden System stehen und sich mit uns gegen eine weitere Zerstörung stellen. Mit der Zentralisierung der Kassen wurde schon viel kaputtgemacht. Wünschenswert wäre eine Gesundheitsreform, die sich in die andere Richtung bewegt und mehr Spielräume zulässt.
Fühlen Sie Ihre Anliegen auch von der Landespolitik gesehen?
Ich denke, die Problematik wird auf Landesebene verstanden und ich hoffe sehr, dass den Landespolitikern ihre Verantwortung bewusst ist. Sie sind informiert darüber, wo für uns die roten Linien sind. Es gibt einige Punkte in diesem Papier, über die man diskutieren kann und sollte, aber es gibt auch solche mit dunkelroten Linien. Dazu gehören etwa die Einzelverträge, wenn es zu keiner Vertragseinigung kommt, und das Einfrieren der Honorare.
Hatten Sie zwischenzeitlich Kontakt mit dem Gesundheitsminister?
Ich habe mit ihm gesprochen und ihm unsere Schmerzpunkte mitgeteilt. Er sagte zu, das in die Arbeitsgruppen einfließen zu lassen. Das Papier, das uns jetzt vorliegt, legt allerdings nahe, dass das Gespräch wenig Wirkung zeigte. Deshalb hoffe ich, dass die Politiker ihre Verantwortung für die Versorgung im Sinne von Sachleistungen übernehmen und nicht einer weiteren Aufspaltung in eine Zwei-Klassen-Medizin Vorschub leisten.
Was passiert, wenn das Gesetz in der vorliegenden Form durchgeht?
Dann gibt es keinen Gesamtvertrag mehr. Wir haben mit den Zahnärzten eine Lösung gefunden, die seit Jahren gut funktioniert, und ich gehe davon aus, dass es auch in diesem Fall ein Interesse gibt, die Versorgung im Land zu sichern. Wir sind gesprächsbereit, denn niemand will einen vertraglosen Zustand. Wir wollen jedoch als Verhandlungspartner auf Augenhöhe agieren können und mit der Sozialversicherung eine gute Lösung im Sinne der Patienten erreichen.