Gratis-Impfung: “Die Kosten rechnen sich”

Das Impfprogramm wird ausgeweitet. Welche Impfung kostenlos werden sollte, hänge von einigen Fragen ab, sagt Gesundheitsexperte Fidler.
Schwarzach Was würden Sie mit zusätzlich 90 Millionen Euro tun? Bund, Länder und Sozialversicherungen werden das Geld verimpfen. Dieses stellen sie im Rahmen der Gesundheitsreform nämlich für das kostenlose Impfprogramm zur Verfügung. Welche Impfstoffe hinzukommen werden, diskutieren sie ab kommender Woche. Zur Debatte stehen die Drei- oder Vierfachimpfung Diphterie-Tetanus-Polio-Pertussis und Hepatitis B für Erwachsene sowie Meningokokken, Varizellen (Schafblattern), Herpes Zoster (Gürtelrose) und FSME. „Alle Impfungen sind Kosten-Nutzen-günstig. Wenn man sie gratis anbietet, ist es für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem ein guter Deal“, ist Gesundheitsexperte Armin Fidler überzeugt. Über die Effektivität der genannten Impfungen müsse ebenso nicht diskutiert werden: „Sie sind sicher, hochwirksam und werden seit vielen Jahren weltweit verwendet.“
Abwägungsfragen
Eine Empfehlung, wie die Prioritätenliste aussehen sollte, gibt Fidler aber nicht. Dafür bräuchte er Daten. „Es hängt von zwei Dingen ab. Das eine ist die Volksgesundheit. Das andere die Frage: Was ist für den Einzelnen ungeimpft statistisch am gefährlichsten?“ Hinzu kommen die Kosten für die Gesamtgesellschaft. So müsste etwa der Faktor Herdenschutz hineingerechnet werden. Bei Erkrankungen wie Hepatitis B sei dieser weniger ausschlaggebend, viel mehr aber die möglich schweren, gesundheitlichen Folgen sowie hohen Kosten einer Erkrankung.

Spannend sei, wie es die Industrie geschafft habe, die Zeckenimpfung zu pushen, erklärt Fidler. Bei ihr bestehe der Wille zu zahlen, wie die hohe Durchimpfungsrate zeige. Und das, obwohl sich die Fallzahlen in Grenzen hielten. Das Bild der gefährlichen Zecke sei den Leuten sehr werbewirksam eingeimpft worden. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Für den einzelnen ist es sehr schlimm, wenn es ihn erwischt. Die Chance aber wirklich an einer Enzephalitis zu erkranken ist vergleichsweise gering.“ Gleichzeitig werde die Grippeimpfung von der Bevölkerung praktisch nicht angenommen, wobei die Krankheit viel häufiger zu schweren Verläufen mit Krankenhausaufenthalten führen kann.
Fidler rät außerdem zum Impfschutz gegen Gürtelrose. „Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis man sie bekommt, wenn der Immunstatus durch eine Begleiterkrankung oder das Alter beeinträchtigt ist. Das zieht zwangsläufig Arzt oder Krankenhaus nach sich“, erklärt der Experte. Wenn man sich ausrechne, was eine Gratis-Impfung koste und was die Behandlung, würde sich das sicher rechnen.
Gesundheitskompetenz ausbauen
Eine kostenlose Impfung könne aber nur ein Beitrag sein. Die Impfmotivation müsse steigen, etwa durch Betriebsimpfungen oder auch durch Information. Fidler plädiert für ein Pflichtfach Gesundheitskompetenz an den Schulen. „Wenn ich die Kinder jetzt mit dem Thema konfrontiere, habe ich in 20 Jahren in vielen Bereichen mündigere Gesundheitskonsumenten. Damit spart man sich Milliarden.“

Letztlich machte sich hingegen vielmehr eine Impfskepsis breit. „Das merkt man an den Masernfällen. Die WHO hatte Ende 90er-Jahre das Ziel, Masern bis ins Jahr 2000 auszurotten. Das war durchaus möglich. Es gab Jahre, in denen es in der gesamten westlichen Hemisphäre keine Masern gab.“ Nun sind sie wieder da – auch in Vorarlberg. In den USA seien richtige Epidemien ausgebrochen. Schuld ist die Impfmüdigkeit und auch „die durch Corona ausgelöste Pseudoskepsis“, sagt Fidler.