Magische Seeaufführung voller visueller Spektakel

“Der Freischütz”: Ein Thriller für die Bregenzer Festspiele.
Bregenz Die Inszenierung von Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ durch den Regisseur Philipp Stölzl bietet ein außergewöhnliches Opernerlebnis, das sowohl eingefleischte Opernliebhaber als auch Neulinge begeistern wird.

Der Abend beginnt mit einem dramatischen Kniff: Die Aufführung öffnet mit einem vermeintlichen Blick auf das Ende der Geschichte, in dem Agathe zu Grabe getragen und Max aufgeknüpft wird. Doch dann dreht Samiel die Uhr zurück und die Geschichte beginnt von vorne. Wird es diesmal zu einem Happy End kommen? Weber hatte schließlich zwei mögliche Varianten komponiert: Entweder endet die Oper mit einem feierlichen Chor, in dem die Gemeinschaft ihre Dankbarkeit ausdrückt und Max und Agathe für ihre Zukunft gesegnet werden, oder es gibt ein tragisches Ende, in dem beide sterben. So viel sei verraten: Die Spannung, welches Schicksal die Charaktere letztendlich erwartet, bleibt bis zur letzten Szene – und vielleicht sogar darüber hinaus – erhalten.

Die Handlung der Oper basiert auf der Erzählung „Die Jägerbraut“ aus dem Sagenbuch von Johann August Apel und Friedrich Laun und erzählt die Geschichte von Max, einem jungen Jäger, der in einem Schützenwettbewerb den besten Schuss abgeben muss, um Agathe, die Tochter des Erbförsters Kuno, heiraten zu dürfen. In seiner Verzweiflung wendet sich Max an Kaspar, der ihm magische Freikugeln verspricht. Doch der Preis für diese Hilfe ist hoch, denn Kaspar hat einen Pakt mit dem Teufel Samiel geschlossen.

Webers Musik ist ein Meilenstein der romantischen Oper. Er verwendet volkstümliche Melodien und integriert thematische Leitmotive, die den Charakteren und ihren Emotionen Ausdruck verleihen.

Die Inszenierung von Philipp Stölzl ist ein visuelles Spektakel. Man merkt, dass er ein Regisseur ist, der es versteht, starke Bilder zu kreieren, und so verwundert es nicht, dass er mit seinen Videos für die Band Rammstein bekannt wurde. Die Einflüsse dieser Arbeiten sind deutlich zu erkennen: Die düsteren, fast apokalyptischen Szenen in der Wolfsschlucht, die geschickt eingesetzten Feuereffekte und die eindringliche Atmosphäre erinnern an die Intensität und Dramatik von Musikvideos.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Seine Inszenierung fordert alle Gewerke und lässt keine Wünsche offen. Die Verzahnung der Orchestermusik mit den Geräuschen und der gesamten Klangatmosphäre war eine große Aufgabe, die meisterhaft gelöst wurde. Feuer-, Nebel- und Wassereffekte sorgen ebenso für zusätzliche Herausforderungen wie die aufwändigen Stunts. Tänzerinnen schwimmen und tanzen durch das Wasser wie einst Esther Williams in “Badende Venus”, was die visuelle Opulenz der Aufführung noch verstärkt. Diese komplexen Anforderungen wurden mit einem hohen Anspruch an Perfektion und einer unglaublichen Liebe zum Detail umgesetzt.

Eine der ikonischsten Szenen der Opernliteratur ist die Wolfsschlucht-Szene. Hier gelingt es Kaspar, Max mit in die unheimliche Schlucht zu nehmen, wo sie gemeinsam die Freikugeln gießen – Kugeln, die mit Hilfe des Teufels gelenkt werden. Diese Szene wird in Stölzls Inszenierung zum Höhepunkt. Der See raucht, Geysire, Nebel, Blitze und Feuer schaffen eine beeindruckende Höllenlandschaft. Hier fügen sich live gespielte und eingespielte Soundeffekte nahtlos zusammen und ergänzen Webers raffinierten und dramatisch komponierten Score perfekt. So entsteht ein Gesamtwerk, in dem alle Elemente harmonisch ineinander greifen und ein unvergessliches Opernerlebnis schaffen.

Das Bühnenbild von Stölzl in Zusammenarbeit mit Florian Schmitt ist atemberaubend. Durch eine Lagune verschmilzt die Bühne magisch mit dem Bodensee, ausgeklügelte Lichteffekte verstärken die mystische Atmosphäre. Die Mischung aus natürlichen Elementen und modernen Projektionen schafft ein einzigartiges Ambiente, das die Zuschauer in die magische Welt des „Freischütz“ entführt. Die Kostüme von Gesine Völlm sind sorgfältig entworfen und tragen wesentlich dazu bei, die Charaktere und ihre jeweilige gesellschaftliche Stellung zu unterstreichen.

Die Besetzung der Hauptrollen überzeugt auf der ganzen Linie. Der Gesang stellt höchste Anforderungen, die von den Darstellern mit Bravour gemeistert werden. Auch schauspielerisch wird viel verlangt, denn zahlreiche Sprechszenen, von Stölzl hervorragend modernisiert, treiben die Handlung dynamisch voran. Nikola Hillebrand als Agathe und Mauro Peter als Max überzeugen stimmlich und darstellerisch, kongenial das weitere Ensemble, die ihre Rollen mit großer Bühnenpräsenz zur Geltung bringen. Besonders hervorzuheben ist Moritz von Treuenfels, der als hinterhältiger, aalglatter und doch charmanter Samiel die Handlung maßgeblich beeinflusst. Seine ständige Präsenz und die düstere Atmosphäre, die er schafft, verleihen der Figur des Teufels eine unheimliche Intensität.

Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Enrique Mazzola, dessen Arbeit maßgeblich zum Erfolg der Aufführung beiträgt. Die Wiener Symphoniker spielen mit bemerkenswerter Präzision, Energie und Sensibilität. Unter Mazzolas Leitung gewinnt Webers Partitur eine neue Lebendigkeit, die den ganzen Abend über spürbar ist. Die Leidenschaft und Hingabe, mit der die Musiker zu Werke gehen, verleihen der Musik eine frische und dynamische Qualität. Besonders eindrucksvoll ist, wie es Mazzola gelingt, die orchestralen Klangfarben mit den Vokalstimmen zu einer harmonischen und eindringlichen Klangwelt zu verweben.

Die gelungene Mischung aus Musik, Schauspiel, Gesang und visuellen Effekten macht diese Seeproduktion zu einem Erlebnis, das lange in Erinnerung bleibt.