Schulischer Druck lastet auf jungen Schultern

Lerncoaches geben Einblick in ihre tägliche Arbeit mit Schülern. Sie schlagen Alarm.
Lustenau „Ich kann das nicht. Ich bin viel zu dumm dafür.” Diesen Satz hören die Lerncoaches Patrizia Pozzera und Silke Brändle vom Learn.Lab in Lustenau beinahe täglich. „Viele kommen erschöpft und demotiviert, mit dem Gefühl, nichts zu können“, sagt Patrizia Pozzera. Sie und ihre Lerntrainer stärken zuerst das Selbstvertrauen der Kinder und zeigen: Wir schaffen das gemeinsam. „Höre ich ständig, was ich alles nicht kann und welche Fehler ich mache, prägt sich das beim Kind ein“, erklärt Pozzera und verdeutlicht damit den Ernst der Situation.
Lob als Grundstein
„Warum fällt es Erwachsenen oft schwer, Kinder zu loben?“, fragt sich Patrizia Pozzera. Wenn in der Schule kein Lob ausgesprochen wird und zu Hause die Eltern aufgrund der Noten nervös werden, beginnt eine Abwärtsspirale der Motivation, die oft schwer zu durchbrechen ist. „Stimmt die Chemie zwischen Lehrer und Schüler nicht, verschärft sich die Situation noch mehr. Ich weiß von Situationen, die heute einfach nicht passieren dürften“, sagt Pozzera. Umso wichtiger ist das Loben. Für sie ist es die Grundlage, damit Kinder wieder wissbegierig und lernfreudig werden. „Denn wenn ich merke, dass ich etwas schaffen kann, setze ich ganz andere Kräfte in mir frei“, weiß sie. Kinder wollen von Natur aus lernen. „Lehrer sollten nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch die Zusammenhänge erklären“, betont sie. Das Wichtigste ist, sich bewusst zu machen, dass Schüler in die Schule kommen, um Neues zu lernen. Oft wird von ihnen erwartet, dass sie es bereits können.

Für viele Kinder und Jugendliche ist der Schulalltag von einem ständigen Leistungsdruck geprägt. Hausaufgaben scheinen endlos und füllen oft Nachmittage und Abende. „Der Zweck der Hausaufgaben ist es, zu zeigen, ob der Schüler den Stoff verstanden hat. Die täglichen schulischen Herausforderungen sind ohne Hilfe fast nicht mehr zu bewältigen. Wir haben das Gefühl, das Homeschooling hat nie aufgehört”, sagt Brändle. Eltern springen ein und erklären den Stoff erneut. „Es ist auffallend, wie viele Mütter berichten, dass sie jeden Nachmittag gemeinsam mit ihren Kindern die Hausaufgaben machen. Auch sie stoßen an ihre Grenzen”, sagt Brändle. Dort, wo elterliche Hilfe ausbleibt, wird es schwierig. Diese Kinder bleiben oft auf der Strecke, wissen die beiden. So lasten hohe Erwartungen auf den jungen Schultern, bei jeder Prüfung und Schularbeit positiv zu sein.
Stoff nicht verstanden
Im Schulalltag bleibt wenig Zeit, sich wirklich mit dem Lernstoff auseinanderzusetzen und ihn zu verstehen. Stattdessen geht es darum, möglichst schnell möglichst viel Wissen zu speichern, um es bei der nächsten Prüfung abrufen zu können, sind sich die beiden Lerntrainerinnen sicher. „Das führt dazu, dass das eigentliche Ziel des Lernens – das Verstehen der Zusammenhänge – vernachlässigt wird”, erklärt Pozzera. Nicht nur die Schüler, auch die Lehrer stehen unter Zeitdruck. Der Lehrplan ist vollgepackt, und es bleibt wenig Raum, um auf individuelle Bedürfnisse der Schüler einzugehen.
Kinder nicht als Maschinen betrachten
Schüler werden ständig beurteilt und auf Fehler hingewiesen. Pozzera und Brändle wünschen sich ein Miteinander in der Schule und Lehrkräfte, die sich trauen mehr Lob auszusprechen und sich nicht als Geiseln des Lehrplans einspannen lassen. Die Freude am Unterrichten sollte auf die Schüler überschwappen, denn gemeinsam können Schule, Schüler und Eltern Großes erreichen. Zum Wohle der Kinder. BVS