Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Überzogene Ansprüche

VN / 18.03.2025 • 09:00 Uhr

Der junge Mann kommt zu spät. Er schlendert zur Haltestelle. Mit jedem Schritt pafft er eine Rauchwolke in die Morgenluft. Also setzt der Bus sich in Bewegung. Als Fäuste und Stiefel gegen die hintere Tür donnern, bleibt er abrupt stehen. Ein „Danke“ hört der Busfahrer nicht. Immerhin: Er wird nicht aktiv beleidigt. Der Fahrgast beschränkt sich darauf, seine dreckigen Schuhe am Seitenbord abzustreifen. Dann zieht er die Kapuze ins Gesicht und versinkt hinter seinem Smartphone.

Menschen mit schlechter Kinderstube gab es immer. Aber die überzogenen Ansprüche sind neu: Worauf genau gründen Menschen ihre Vorstellung, dass öffentliche Verkehrsmittel nicht nach einem allgemeinen Fahrplan, sondern nach ihren individuellen Bedürfnissen zu verkehren haben? Was genau bewegt Angehörige und Patienten, das Personal im Krankenhaus zu beleidigen, zu bedrohen oder gar gewaltsam zu attackieren, weil sie warten müssen oder die Behandlung nicht ihren Vorstellungen entspricht? Wie genau bildet sich in Verkehrsteilnehmern die Überzeugung, immer und überall Vorrang zu haben?

Gewohnheitsmäßig überzogene Ansprüche torpedieren den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Das können wir uns heute weniger denn je leisten. „Kevin allein zu Haus“ taugt wirklich nur fürs Kino.