Streiflicht: Auslaufmodelle
„Zwanzig“, brummt der Bauer. Als die Kundin die Augenbrauen hochzieht, fügt er entschuldigend hinzu: „Mei, es sind halt die ersten!“ Die Frau rechnet nach und kommt auf etwa einen Euro pro Spargel. Trotzdem kauft sie und trägt das gebündelte Zeugnis ihrer Maßlosigkeit triumphierend nachhause. Der erste Spargel der Saison! Sündhaft teuer und göttlich wohlschmeckend zugleich. Als hätte Adam an der Schwelle zum Paradies noch eine Handvoll Gemüse mitlaufen lassen.
Im Grunde ist es hoffnungslos altmodisch: Es wird gesät, gewässert, gehegt. Warm muss es sein und feucht. Das heimische Gemüse will erwartet werden. Den Menschen, die das Warten nicht verlernt haben, decken die Jahreszeiten den Tisch überreich: Der erste Bärlauch, die ersten Beeren, das erste Eis … Natürlich sorgt eine riesige Industrie dafür, dass es alles immer und überall zu kaufen gibt. Auch tief im Winter wetteifern Tomaten in perfekter Röte um die Aufmerksamkeit der Kunden im Supermarkt. Doch diese farbenfrohen Geschmacklosigkeiten könnten gut auch aus dem 3D-Drucker stammen.
Den Abend veredeln geröstete Butterbrösel und ein Glas Weißwein zu einem Fest, das auch die bedrohliche Radiomeldung nicht trüben kann. „Der Bodensee trocknet aus“, presst der Sprecher atemlos ins Mikrofon. Doch Zuhörer, die mit den Jahreszeiten leben, wissen auch dieses Phänomen einzuordnen. Sie schalten auf Musik um, von echten Menschen auf echten Instrumenten gespielt. Auch so ein Auslaufmodell, das nicht totzukriegen ist!
Kommentar