“Selenskyj ist ein sehr mutiger Mann”

Vasyi Khymynets, ukrainischer Botschafter in Österreich, baut auf die westliche Solidarität als Schlüssel zum Frieden
Feldkirch Als Botschafter in Österreich kennt Vasyl Khymynets (55) seit über drei Jahren fast nur das Thema Krieg, das seinem von Russland überfallenem Land aufgezwungen wurde. Groß ist sein Respekt für den ukrainischen Präsidenten Wolodymiyr Selenskyj, Dankbarkeit drückt er vor allem für die vielen Kommunen Österreichs aus, die sich seiner Landsleute angenommen haben. Der Weg zu einem gerechten Frieden führt aus seiner Sicht nur über eine starke Achse Ukraine, Europa und USA.
Herr Botschafter, spüren sie angesichts eines möglichen Treffens zwischen Putin und Selenskyj aktuell eine besondere Anspannung?
Khymynets: Natürlich ist es für mich eine spezielle Situation, weil ich Ukrainer bin. Ich leide mit meinen Landsleuten. Mein Wunsch ist der Wunsch aller Ukrainer: Frieden. Was ich jeden Morgen mache, ist, mit meinen Verwandten, Freunden, Bekannten zu telefonieren, um sicher zu gehen, dass sie noch leben. Aber nicht nur deswegen bin ich angespannt. Auch wegen der Funktion, die ich in Österreich zu erfüllen habe. Nämlich mich um das Wohlergehen der 85.000 Landsleute in Österreich zu kümmern. Diesbezüglich möchte ich vor allem die Kommunen erwähnen, die enormes für meine Landsleute leisten. Weil sie ihnen am nächsten sind.

Was kann ein mögliches Treffen ihres Präsidenten Selenskyj mit Putin in Istanbul bringen?
Kymynets: Wir wollen Frieden. Und damit dieser Friede kommt, müssen wir jetzt gemeinsam, und zwar die USA und Europa gemeinsam mit der Ukraine, Stärke zeigen. Wenn uns das nicht gelingt, wird der Krieg andauern. Wir wollen der Diplomatie eine Chance geben. Präsident Selenskyi zeigt immer wieder Bereitschaft. Wir sehen, dass die USA auch Frieden will. Ebenso nehmen wir die Entschlossenheit der Europäer wahr. Gemeinsam können wir gegenüber Russland entschlossener auftreten.
Was macht Sie zuversichtlich, dass das mögliche Treffen erfolgreich sein könnte?
Kymynets: Wenn wir Solidarität und Stärke zeigen, wird sich Putin der Konsequenzen einer Fortführung der Aggression bewusst. Das Treffen böte eine Chance. Aber wir wissen nicht, ob Putin nach Istanbul kommt. Die Russen schweigen jetzt. Das ist typisch für sie.

Welchen Preis darf der Friede haben? Womöglich doch Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland inklusive der Krim?
Kymynets: Diese Frage stellt sich nicht. Was sollen wir abtreten, nachdem die Russen unsere territoriale Integrität verletzt haben? Was sollen wir abtreten an Putin? 10 Quadratkilometer? 20 Quadratkilometer? Und dann sagt er, er möchte 500 Quadratkilometer? Unsere Haltung ist klar: Das Völkerrecht muss wieder hergestellt werden. Die Russen sollen nicht das Gefühl bekommen, sie können das eine oder andere Gebiet bekommen, das sie gestohlen haben.
Ich darf Sie an US-Präsident Trump erinnern, der gesagt hat, die Ukraine müsse die Krim an Russland abtreten.
Kymynets: Danach hat Trump aber etwas anderes gesagt. Wir müssen ruhig bleiben. Wir müssen eine Chance bekommen. Und zwar gemeinsam. Unser amerikanischen Partnern verstehen mit jedem Tag besser, dass die Russen kein Interesse an einer Lösung haben. Wir müssen eine sehr klare Sprache sprechen.
So sehr Sie recht haben, so klar scheint die Realität. Dass es nicht gehen wird, ohne dass die Russen etwas bekommen.
Kymynets: Das Problem ist. Wenn sie was erhalten, werden sie Appetit auf mehr bekommen. Und das führt nicht zu nachhaltigem Frieden. Denken Sie an Georgien. Man dachte, jetzt habe Putin genug. Danach kam die Krim. Man glaubte, jetzt würde er Ruhe geben. Weit gefehlt. Wir haben genug Erfahrungen dieser Art gesammelt. Es geht doch um Prinzipien. Wir brauchen eine klare Haltung und müssen den Russen zu verstehen geben, dass sie für ihren Angriffskrieg nicht belohnt werden.

Was haben Sie sich gedacht, als US-Präsident Trump ihren Präsidenten vor der Weltöffentlichkeit so zurechtgewiesen hat?
Kymynets: Trump ist an einem Frieden interessiert. Wir sind sehr eng mit den Amerikanern. Das ist jetzt der Fall. Wir sehen, wie ich schon sagte, dass die USA mehr und mehr verstehen, was Russland ist. Was die Interessen von Putin sind. Wir sehen auch, dass sich die USA mehr für die Krim einsetzen. Warum? Weil wir mehr gemeinsame Interessen haben. Weil wir mit den USA nun ein Rohstoffabkommen haben. Aber natürlich: Der Prozess ist nicht einfach.
Sie sind seit drei Jahren unermüdlich für die Ukraine und deren Situation durch den russischen Angriffskrieg unterwegs. Müssen Sie nicht feststellen, dass die Menschen langsam abstumpfen und sich nicht mehr so mit der Ukraine identifizieren wie am Anfang?
Khymynets: Ja, das passiert teilweise. Aber es passiert andererseits auch, dass viele Menschen nun wirklich erkennen, was Russland macht. Leider wirkt aber auch die russische Propaganda. Und das gibt Grund zur Besorgnis.
Wie oft haben Sie Kontakt mit Präsident Selenskyj?
Khymynets. Wir haben regelmäßig Kontakt und telefonieren auch. Ich kann ihnen sagen: Selenskyj ist ein mutiger Mann, der sich total für sein Heimatland einsetzt. Er trägt immer Werktagskleidung, um so zu zeigen, dass sich unser Land im Krieg befindet.

Gibt es für Sie als ukrainischer Botschafter eigentlich noch irgend ein anderes Thema im Zusammenhang mit ihrem Land als den Krieg?
Khymynets: Der Krieg ist natürlich das dominante Thema. Aber ich arbeite darüber hinaus auch daran, dass unsere Handelsbeziehungen zwischen Österreich und der Ukraine intakt bleiben. Gerade auch hier in Vorarlberg. Ich darf darauf hinweisen, dass unser Land trotz des Krieges immer funktioniert hat . Auch wirtschaftlich.