„Eigentlich wollte ich nach Paris . . .“

Es kam anders – und Roland Güttler lebt und arbeitet seit 44 Jahren in Hongkong.
Bregenz Pension mit 65 oder 70? Roland Güttler, der seit 44 Jahren in Hongkong lebt und (immer noch) arbeitet, kostet das nur ein Lächeln, denn über seinen möglichen Ruhestand verlor er kein Wort, als er kürzlich auf Heimatbesuch weilte, um seinen 80er mit der „daheimgebliebenen“ Familie zu feiern und zugleich mit dem Maturajahrgang 1965 der Bregenzer Handelsakademie das 60-Jahr-Jubiläum zu begehen.

Traditionell wird bei solchen Treffen auch über „die Lage der Nation“ diskutiert, denn seine berufliche Laufbahn eröffnet ihm eine spezielle Herangehensweise an Themen wie Pensionsantritt, Zuwanderung oder Integration.
Bin selbst Zuwanderer
Zum Pensionsantrittsalter spricht seine persönliche Einstellung für sich: Gesundheit vorausgesetzt und ein Klima, in dem das Arbeiten Spaß macht, erübrigen jede Diskussion um das Antrittsalter, ergo muss so ein Klima geschaffen werden. Und zum Thema Zuwanderung bringt er sich selbst ins Spiel: „Im Grunde bin ich selbst seit 60 Jahren ,Zuwanderer‘ und weiß genau, wie man sich als solcher fühlt und was man vom Gastland erwartet.“

Nach der Matura ging er zu Elastisana nach Lindau, bald weiter zu Swarovski Deutschland nach Kaufbeuren. „Dann hat mich Paris sehr gereizt, doch die Swarovski-Bosse ,überredeten‘ mich, nach Hongkong zu gehen – für drei, maximal fünf Jahre – geworden sind es dann 13.“ Nach dieser sehr erfolgreichen Zeit als Vice-Präsident wagte er den Sprung in die Selbständigkeit, vertreibt seither mit seiner Firma Waren mit Bezug zu Glas und Kristall: hochwertige Glastrophäen, Pokale oder Modeschmuck.

Paris trauert er übrigens nicht mehr nach, es wäre sein Traum gewesen, es ist aber so wie es gekommen ist „ganz okay“.
Absolute Pflichttermine
Es ist eine spannende Berufskarriere in Fernost, über die er bei den Maturatreffen immer wieder Neues erzählt. Matura-Jubiläen sind für ihn Pflichttermine, um alte Freundschaften zu pflegen: „Auch seit ich in Hongkong lebe, war ich bisher jedes Mal dabei – geändert hat sich nur mein Anspruch an den Komfort im Flieger. Früher genügte mir Economy, heute leiste ich mir Business Class“, erzählt er lächelnd.

Es gibt Anlass zur Sorge
Geändert hat sich seither nicht nur das Angebot der Airlines, auch (politische) Rahmenbedingungen haben sich dramatisch verschoben und geben ihm Anlass zur Sorge. Er fühle sich wohl in seiner zweiten Heimat, mache sich trotzdem ernste Gedanken zu Diskussionen in Österreich – weil er vieles im bürokratischen Dschungel festgefahren sieht, wie er in einem Beispiel erläutert: „Als ich damals nach Kaufbeuren ging, musste ich Unmengen an Formularen, Bestätigungen, Anträgen usw. beibringen, zehn Jahre später benötigte ich für Hongkong nicht einmal halb so viel Papierkram.“ Das sei leider noch schlimmer geworden – „und ist lähmend und hinderlich“.

Aus eigener Erfahrung
Das Thema Ausländer berührt Roland Güttler hautnah: Er ist nicht nur als Kaufmann in Hongkong aktiv, er ist auch Hotelier in Bregenz, wo er 2006 den Familienbetrieb „Pension Bodensee“ übernommen, generalsaniert, erweitert und zum Hotel garni ausgebaut hat.

Heute sind im Haus in der Kornmarktstraße Mitarbeitende aus sechs Ländern beschäftigt – „so viel zum Thema Ausländer ohne die – nicht nur bei mir – nichts mehr gehen würde“, bemerkt er dazu und ergänzt, dass „es unabdingbar und alternativlos ist, diese Themen neu zu denken und Lösungen zu finden – so wie es damals beim Zuzug von Menschen aus Südtirol, später aus Innerösterreich, dem ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei in der Vergangenheit auch gelungen ist“. STP
