“Die Menschen litten wirkliche Not”

Im Bludenzer Kulturraum Remise wurde die Sommerausstellung eröffnet.
Bludenz Fast direkt knüpft die jüngst eröffnete Sommerausstellung der Stadt Bludenz an jene des Jahres 2020 an – “Widerstand und Verfolgung. Biographische Aspekte der NS-Diktatur in Bludenz”.

Im Kunstraum Remise finden Interessierte Geschichten und Geschichte von 1945 bis 1955, Bildmaterial sowie Filmaufnahmen vom Mai 1945. “Die Franzosen hatten Militärreporter dabei mit Kameras”, erzählte Christof Thöny. In der Ausstellung gehe es um die französische Besatzung, Kontakte der Bevölkerung zur Besatzung und um die dramatischen, von Lebensmittelknappheit geprägten Monate 1945, wie er weiter ausführte. Im Laufe des Jahres 1946 sei die Rationierung auf unter 1000 Kalorien am Tag beschränkt worden. Es habe wirkliche Not geherrscht; auch Wohnungsknappheit, aufgrund der im Krieg massiv gewachsenen Stadtbevölkerung. In der Ausstellung gehe es zudem um Themen, die das Leben der Menschen in den Nachkriegsjahren geprägt hätten – die Medien, welche die Franzosen genutzt hätten, um die Demokratisierung voranzutreiben, den wieder herausgegebenen Bludenzer Anzeiger, die Heimkehrer aus dem Krieg und den wirtschaftlichen Aufschwung in den frühen 1950er-Jahren. 1956 sei die Muttersbergbahn eröffnet worden. Eine wichtige Rolle spielten in der Ausstellung die Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, betonte der Historiker.



Vorgestellt wird in diesem Rahmen der 1902 geborene Alois Jeller, der als Vollwaise an einen Heimplatz gekommen war. Schließlich fand er eine Beschäftigung als Tischler in Bludenz. Nach dem “Anschluss” Österreichs 1938 bildete sich verhältnismäßig früh ziviler Widerstand gegen das Gewaltregime. Auch Alois Jeller kam mit der Widerstandsbewegung in Berührung. Gegen Kriegsende wollte diese verhindern, dass Bludenz durch die anrückende französische Armee beschossen wird. “Um eine kampflose Übergabe der Stadt gewährleisten zu können, wurden seitens der französischen Befehlshaber Taten gefordert. Diese waren besonders deshalb notwendig, weil die fanatischen Parteigänger der NSDAP in der Bludenzer Kreisleitung eine Verteidigung der Stadt forderten”, heißt es in der Ausstellung. Der “Sturm auf die Kreisleitung” der NSDAP in Bludenz erfolgte in der Nacht vom 2. auf 3. Mai 1945. 54 Männer sollen an diesem Anschlag beteiligt gewesen sein. Unter ihnen befanden sich Bahnschutzpolizisten, Polizisten, Gendarmen, Feuerwehrmänner, Bahnangestellte, Wehrmachtsangehörige, Zivilisten und fünf Zwangsarbeiter.




Ein tragisches Ende
Der Angriff auf die Kreisleitung begann ungefähr um Mitternacht. Nachdem die Nachricht eingetroffen war, dass Soldaten zur Verteidigung der Kreisleitung anrückten, zogen sich die Angreifer zurück. Noch am 3. Mai verließen führende Nationalsozialisten Bludenz, was der französischen Armee mitgeteilt worden war. Die verdienstvolle Tat endete für Alois Jeller tragisch. SS-Leute nahmen ihn fest. In weiterer Folge wurde er schwer misshandelt und schließlich erschossen. Die Straße, die am Bundesgymnasium Bludenz vorbeiführt, ist nach ihm benannt. “Straßenbenennungen sind das eine, aber Geschichtsvermittlung, Geschichten zu erzählen ist das andere. Dazu dienen solche Ausstellungen, Publikationen und Filme”, betonte Christof Thöny. Deshalb sei es erfreulich, dass die Stadt Bludenz jedes Jahr im Kunstraum Remise eine historische Ausstellung umsetze; die diesjährige begann mit einem geführten Spaziergang von der Brauerei Fohrenburg zum Kulturzentrum Remise, wobei Dr. Franz Valandro historische Orte vorgestellt hatte. SCO
Ausstellungsdauer: Bis 31. August 2025, Kunstraum Remise, Bludenz Öffnungszeiten: Mittwoch – Samstag, Sonn- und Feiertage von 15 bis 18 Uhr



