Streiflicht: Bühne ist überall
Die junge Frau tritt aus dem Schatten des Festspielhauses und blinzelt in die Abendsonne. Sie lacht ihren Kollegen zu, gemeinsam schultern sie ihre Instrumentenkoffer und bahnen sich den Weg durch die Menge. Niemand beachtet die vier Gestalten. In ihren Jeans, rauchend und feixend, gehen sie mühelos auf im farbenfrohen Trubel.
Dabei standen sie eben noch auf der Bühne. Im noblen Zwirn. Der letzte Ton war verhaucht. Noch schwebten die Bögen über den Saiten von Cello, Viola und Violinen. Rührten sich nicht. Die Menschen hielten die Augen geschlossen. Suchten diesen letzten Klang festzuhalten. Ihn auszukosten, der sich so rasch entfernte. Es blieb vollkommen still, für eine kleine Ewigkeit. Dann brandete Applaus auf. Wie eine Erlösung.
Die Vier sind verschwunden in der Menge. Musiker der Sonderklasse, aber das sieht man nicht und fragt sich: Wie viele Künstler wohl noch in diesem Meer der Gesichter verborgen bleiben. Eine Mutter, die vor Wochen entbunden hat? Ein Anwalt, der morgen erstmals verhandeln muss? Die pensionierte Lehrerin, die zum Abschied gleichzeitig geweint und gelacht hat? Alle spielen sie die Hauptrolle in ihrem Lebenswerk, in dem es auch manchmal still wird. Und nicht immer schenkt Applaus die Erlösung.
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