25 Gipfel in 150 Stunden: “Und plötzlich sah ich nur noch Gespenster”

Am Vorabend der Seven Summits referierte Annabel Müller über die „Tour der Riesen“.
Schröcken Seit 2009 findet in Schröcken die Seven Summits Tour über die sieben Grenzgipfel der Walsergemeinde statt. Manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvieren die Seven Summits im Rahmen ihres Urlaubs – sie reisen schon einige Tage früher an und betrachten die Extremtour als Höhepunkt ihres Schröcken-Aufenthalts.

Siebenmal Sieben Summits
Heuer wurde ihnen am Vorabend der Tour eine exklusive Überraschung geboten: Im voll besetzten Berghaus-Seminarraum referierte Annabel Müller aus Kempten über ihre Erlebnisse bei der “Tour der Riesen”, einem Ultra-Trail-Wettbewerb, der seit 2010 mit Start und Ziel in Courchevel ausgetragen wird. Ihr fast 400 Seiten starkes Buch dazu (“Trail and Error – der Weg istnicht das Ziel“) liest sich wie ein spannender Krimi.

Die Daten dieser Tour sind ebenso eindrucksvoll, wie es der fesselnde Vortrag war: 349 Kilometer, fast 31.000 Höhenmeter, 25 Gipfel, der höchste Punkt auf 3299 m. Es gibt nur eine Regel: Für die Tour der Riesen stehen maximal 150 Stunden (sechs Tage, sechs Stunden) zur Verfügung. Um diese unglaubliche Herausforderung in eine Relation zu bringen: “Tor des Géants” entspricht in etwa siebenmal Seven Summits – am Stück und in gut sechs Tagen.

Eine „Spätberufene“
Annabel Müller hat diese Tour zweimal absolviert – dabei war ihr die Freude am Extremsport nicht in die Wiege gelegt worden. Erst mit 31 Jahren absolvierte sie ihre erste Trail-Tour – bescheidene elf Kilometer und 239 Höhenmeter. Zehn Jahre später war sie bereit für die Jubiläumstour im Aostatal – und erwischte ausgerechnet eine der extremsten Touren mit Wintereinbruch. Regen und Schnee und dann wieder für diese Jahreszeit ungewöhnliche Hitze um 30 Grad verschärften die Herausforderung. Hinzu kam noch eine Verletzung, mit der man eigentlich auf die Bergrettung wartet – Annabel biss sich durch. Fast ohne Schlaf, denn “die erste Nacht bin ich durchgelaufen, in der zweiten war in der Life Base – dort darf man maximal zwei Stunden schlafen – kein Bett mehr frei und auf der restlichen Strecke kamen dann insgesamt vielleicht viereinhalb Stunden Schlaf zusammen”, listet sie in ihrem Tourtagebuch auf.

Halluzinationen
Kein Wunder, wenn sie im dichten Nebel plötzlich überall furchterregende Fabelwesen zu sehen glaubte oder Baumstrünke für bedrohliche Soldaten und Steine für riesengroße Frösche hielt. Da kommen schon Gedanken ans Aufgeben auf, aber dann gewann ihr Motto “Machen ist wie wollen – nur krasser, Weitermachen ist noch krasser” die Oberhand und sie überwand auch alle Krisen, obwohl sie manchmal einen ganz anderen Wunsch hatte: “Am liebsten hätte ich mich ganz einfach hingesetzt und darauf gewartet, dass mich jemand hinunterträgt.”

Ihr eiserner Wille siegte
Hingesetzt hat sie sich nicht, hinuntergetragen hat sie niemand – stattdessen hat sie ihr eiserner Wille von Checkpoint zu Checkpoint ins Ziel getragen. Nach 147 Stunden lief sie durch den Torbogen, drei Stunden vor der erlaubten maximalen Laufzeit.

Es ging noch schneller
Vier Jahre später war sie wieder am Start in Courchevel – mit ihr fast 1000 andere Ultra-Sportlerinnen und -Sportler, von denen nur etwas mehr als die Hälfte ins Ziel kamen. Annabel Müller war dabei – und schaffte es auch in der angepeilten Zeit: 127:32 Stunden. Damit erfüllte sie das Limit (130 Stunden), das zur Teilnahme am Tor des Glaciers berechtigt. Am Freitag, 20 Uhr, ist sie mit den anderen 199 Qualifizierten gestartet, 190 Stunden bleiben Zeit für 450 Kilometer und 32.000 Höhenmeter in weitgehend unwegsamem Gelände. Zielschluss ist Samstag, 21. September, 18 Uhr. STP