Julia Ortner

Kommentar

Julia Ortner

Kommentar: Zwei Jahre Terror und Krieg

VN / 06.10.2025 • 11:00 Uhr

Und heute ist wieder der 7. Oktober. Jener schreckliche Tag, an dem die islamistische Terrororganisation Hamas vor zwei Jahren Israel in unvorstellbarer Weise angegriffen hat. Bei dem Terrorangriff wurden 1200 Israelis ermordet, darunter viele Zivilistinnen und Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, Alte – es ist das brutalste Pogrom seit dem Holocaust. 250 Menschen wurden in den Gazastreifen verschleppt. Pramila Patten, UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten, berichtete von Vergewaltigungen und sexualisierter Folter gegenüber israelischen Frauen. Der 7. Oktober hat viele in Israel und den jüdischen Communitys weltweit verstört und die Traumata der Vergangenheit wieder hochkommen lassen

Der 7. Oktober ist auch der Auslöser des Kriegs, den die israelische Regierung seit zwei Jahren gegen die Terrororganisation Hamas führt. In dieser Zeit starben Zehntausende in Gaza, Hamas-Kämpfer, aber auch Zivilistinnen und Zivilisten, der Gazastreifen ist zu großen Teilen eine Schutthalde. Doch jetzt gibt es so etwas wie Hoffnung, der Friedensplan von US-Präsident Donald Trump kommt voran. Am Wochenende (und bis zu Redaktionsschluss) schien eine Übergabe der noch in Gaza festgehaltenen Geiseln und ein Waffenstillstand im Gazastreifen in den nächsten Tagen tatsächlich möglich. 48 israelische Geiseln könnten dann endlich nach Hause zurückkehren. Nur mehr 20 von ihnen leben.

Jedes Leben zählt

Was jene von ihnen, die den Horror überlebt haben, in den vergangenen zwei Jahren erleiden, was ihre Angehörigen durchmachen mussten, kann man sich gar nicht vorstellen. Mittlerweile ist der Nahost-Krieg in den Nachrichten ein schrecklicher Begleiter unseres Alltags geworden, wegen all des Grauens für die Zivilbevölkerung in Israel und in Gaza greift ein tiefes Gefühl der Ohnmacht um sich. Umso wichtiger ist es gerade für die Angehörigen der Verschleppten in Israel, die Hoffnung nicht aufzugeben; eine Hoffnung, die mit jeder einzelnen Person, die befreit oder ausgetauscht werden konnte, wieder bestärkt wurde. Und es erinnerte an einen wichtigen Satz aus dem Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums: „Wer auch immer ein einziges Leben rettet, der ist, als ob er die ganze Welt gerettet hätte.“ Jeder Mensch, jedes Leben zählt.

Der Nahostkrieg eignet sich nicht für eine einfache Schwarz-Weiß-Zeichnung. Ja, man kann die Hamas-Terroristen für eine hasserfüllte Mörderbande halten, die sich hinter der eigenen Bevölkerung verschanzt; und man kann gleichzeitig die schlimme Situation jener Menschen in Gaza, die keinen Krieg mit Israel wollten, erschütternd finden. Beides ist Teil der Realität.

Der Nahostkrieg eignet sich nicht für eine einfache Schwarz-Weiß-Zeichnung.

Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und ist Redaktionsleiterin von ORF.at.