„Das vergisst du nie wieder“ – die bewegendsten Momente der Flugretter

VN / 19.10.2025 • 07:00 Uhr
„Das vergisst du nie wieder“ – die bewegendsten Momente der Flugretter
Pilot Dieter Mark (l.) und Flugretter Elija Stark erzählen von ihren Einsätzen.

Zwischen Drama und Kitsch – die Crew von Christophorus 8 erzählt von Einsätzen, die sie nie vergessen.

Nenzing Sie starten, wenn Minuten entscheiden: Pilot Dieter Mark, Notärztin Martina Jochum und Flugretter Elija Stark bilden die Crew, die mit dem Rettungshubschrauber Christophorus 8 schnell zur Hilfe eilt. Die Besatzung fliegt vom Bodensee bis zum Piz Buin und bei Bedarf auch ins Allgäu. Die Flugretter müssen innerhalb von 15 Minuten am Einsatzort sein.

„Das vergisst du nie wieder“ – die bewegendsten Momente der Flugretter
V. l.: Pilot Dieter Mark, Notärztin Martina Jochum und Flugretter Elija Stark bildeten an diesem Tag die Besatzung für den Christophorus 8.

Dieter (48) ist ein erfahrener Pilot mit 22 Jahren Berufserfahrung, insbesondere in Amerika, wo er auch seine Ausbildung absolvierte. Seit sieben Jahren fliegt er für den ÖAMTC. Schon als Kind – er ist in Thüringen aufgewachsen – wollte er Pilot werden. Er sah die Hubschrauber von Wucher Helicopter ein- und ausfliegen. In den USA erfüllte er sich schließlich den Traum vom Pilotenschein.

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Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich auf ganz Vorarlberg und bei Bedarf auch ins Allgäu hinein.

Elija (27), Mitglied der Bergrettung Fontanella, ist seit zwei Jahren Flugretter. Die Ausbildung ist anspruchsvoll, die Anforderungen sind hoch – dennoch ist der Beruf begehrt. Bei der Flugrettung Vorarlberg durchläuft man ein Assessmentcenter und wird drei Tage und zwei Nächte lang medizinisch sowie psychologisch geprüft. Die Durchfallquote liegt bei knapp über 50 Prozent. Auch bei den Piloten stellt der ÖAMTC bereits im Vorfeld hohe Anforderungen: „Dass sie überhaupt deine Bewerbung anschauen, musst du als Pilot schon sehr viel Erfahrung mitbringen“, bestätigt Dieter. Es arbeiten also nur die Besten ihres Fachs bei der Flugrettung Vorarlberg.

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Das LKH Feldkirch (Bildmitte) steuern sie oft an.

In Vorarlberg liegt die Verantwortung für die Flugrettung beim Land, das diese Aufgabe der Bergrettung übertragen hat. Am Stützpunkt in Nenzing arbeitet die Bergrettung eng mit ihrem „Partner“ ÖAMTC zusammen. Der ÖAMTC stellt dabei das Fluggerät und den Piloten zur Verfügung, während die Bergrettung für die medizinische und einsatztechnische Besatzung – also Notarzt und Flugretter – sorgt. Die Zusammenarbeit ist partnerschaftlich organisiert, die operative Leitung bleibt jedoch bei der Bergrettung.

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Am Morgen muss der Hubschrauber gepackt werden.
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Einsätze im alpinen Gelände sind nichts Ungewöhnliches für sie.

Zwischen den Einsätzen bleibt Zeit für Gespräche. Martina, Elija und Dieter erzählen von ihren Erlebnissen. Oft liegen Leben und Tod nah beieinander, gerade bei Verkehrsunfällen. Tragisch seien vor allem Einsätze, bei denen Kinder ums Leben kommen. Martina (46), die als Anästhesistin im LKH Feldkirch tätig ist, erinnert sich an ein Kind, das bei einem Verkehrsunfall starb. „Es kamen immer mehr Angehörige zum Unfallort.“ Das sei das Schlimmste gewesen.

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Dieter Mark ist seit sieben Jahren Pilot beim ÖAMTC.

Für Elija war ein Einsatz an einem Klettersteig besonders fordernd: Eine Person hing kopfüber im Gurt. „Vom einsatztechnischen her war es knackig.“ Doch nicht nur dramatische Einsätze bleiben in Erinnerung. Eine Taubergung bei Sonnenuntergang über dem Bodensee beschreibt Martina als „wunderschön“. Auch Dieter schwärmt von einem Einsatz auf einer Alpe im Montafon, wo sich jemand am Meniskus verletzt hatte: „Es war ein goldener Herbsttag mit wunderschönen Farben. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus – der Patient auch nicht.“

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Notärztin Martina Jochum trifft die medizinischen Entscheidungen.

Martina wurde einmal zu einem Fall von Unterkühlung unterhalb eines Gipfels gerufen. Eine Wandergruppe, die auf dem Weg zum Gipfel war, hatte die Rettung alarmiert. Sie stieg zu Fuß zum Patienten auf, der nicht ansprechbar war, aber die Augen geöffnet hatte. Äußere Verletzungen fand sie keine, aber die Körpertemperatur betrug nur 24,9 Grad. Die Person war auf einer Weitwanderung unterwegs – fit und gut ausgerüstet. Doch der Schneesturm am Morgen war nicht angekündigt. Aufgrund der schlechten Sicht und Kälte entschied sie sich zur Umkehr. „Die Person hat alles richtig gemacht. Doch wäre die Wandergruppe nicht gewesen, wäre sie gestorben“, sagt Martina, die ihr das Leben gerettet hat.

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Jeder Einsatz wird dokumentiert.

Dieter schildert einen aufwendigen Sucheinsatz im Kleinwalsertal: Zwei Personen wurden unter eine acht Meter dicke Schneedecke gespült und konnten erst nach zwei Tagen gefunden werden. „Alles, was du gesehen hast, vergisst du nie wieder“, sagt Dieter. Um das Erlebte zu verarbeiten, sprechen sie offen miteinander. Eine psychologische Betreuung mussten sie bislang nicht in Anspruch nehmen.

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Die Flugrettung Vorarlberg wird von der Bergrettung organisiert.
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Die Taubergung ist die Königsdisziplin eines Piloten.