Kolumne: Was alles in einem Teller heiße Suppe steckt

VN / 24.11.2025 • 16:16 Uhr
Kolumne: Was alles in einem Teller heiße Suppe steckt

Eine Familientradition bei uns: Wenn jemand nach langer Reise ankommt, gibt es heiße Suppe. Vielleicht ist es gar keine Familientradition, vielleicht bekomme nur ich eine heiße Suppe, wenn ich ankomme. Weil ich Suppe so gern habe, und diese Suppe, die mir meine Mutter immer direkt hinstellt, kaum habe ich Schuhe und Mantel abgestreift, die liebe ich besonders.

Ich muss es zwischendurch wieder einmal sagen: Was ist das für ein Privileg, dass ich immer noch von meiner Mutter umsorgt und verwöhnt werde, wenn ich auf Ländle-Besuch bin? Wer kann das in diesem Alter sonst sagen? Ja, es ist mir bewusst, was das für ein Glück ist. Und einiges von diesem Glück steckt in der dampfenden, duftenden Suppe, die ich, kaum bin ich wieder mal zuhause, am Küchentisch löffle, auf meinem alten Platz auf der gemütlichen Eckbank.

Auch ich mache Suppe, wenn meine Kinder und ihre Freunde mich am Land besuchen, rote Linsensuppe, Gemüsesuppe mit Griesnockerl, Gerstensuppe nach dem Rezept meiner Mutter. Natürlich gab es auch Suppe, als meine Schwester jetzt ein paar Tage in Wien verbrachte, und direkt vom Bahnhof zu mir kam: Eine Hühnersuppe diesmal, wie sie im Winter bei mir am Land fast jede Woche auf dem Holzherd vor sich hinköchelt. Ich glaube fest daran, dass so eine Hühnersuppe die beste Medizin ist, wenn man an einer Erkältung laboriert.

In Wien habe ich keinen Holzherd, aber ich ließ die Suppe trotzdem lange köcheln, nachdem ich erst eine halbierte Zwiebel und ein paar Gewürze (Koriander- und Pfefferkörner, zwei Nelken, eine halbe Zimtstange, ein halber Sternanis, zwei Kardamomkapsel; wenn irgendwas davon gerade nicht da ist, auch nicht so schlimm) ohne Fett anröstete, mit gut zwei Liter Wasser aufgoss, ein halbes Huhn hineinversenkte, Suppengrün zufügte, gewürfelt und im Ganzen, Ingwerscheiben, etwas Stangensellerie, Abrieb und Saft einer halben Zitrone, etwas Soja- und Worchestersauce, Salz. (Nach etwa einer Stunde siebe ich alles in einen andern Topf um, löse das Fleisch von den Knochen, sortiere das gute Gemüse aus, und koche die Knochen noch mal eine Stunde oder zwei in der Brühe aus, bevor ich die Knochen entferne, und die guten Sachen wieder in die Brühe kommen. Von den Knochen schneide ich dem Hund dann noch die Knorpel runter, es wird nichts verschwendet.)

Es handelt sich um eine Art Frankenstein-Rezept aus den besten Teilen von allen Rezepten, nach denen ich im Laufe der Jahre Hühnersuppe kochte, und es hat meiner Schwester, mit ein paar Griesnockerl dazu, erfreulich gut geschmeckt.

Ich habe mit der Suppe dann noch zwei Tage lang meine Erkältung kuriert. Denn das alles steckt in so einem Teller heiße Suppe: Medizin, Trost, Wärme, Liebe; und das Gefühl, gut angekommen zu sein.