Aus Liebe zu den Worten

Sarah Kuratle las in der Stadtbibliothek aus ihrem Roman “Chimäre”.
Dornbirn “Sie sind so eine zarte Person und haben so eine kraftvolle Sprache”, meinte eine Besucherin am Ende der Lesung zu Sarah Kuratle. Dies bescheinigen ihr auch zahlreiche Kritiker – Sarah Kuratles lyrische und prosaische Arbeiten wurden vielfach prämiert. Mit ihrem Romandebüt “Greta und Jannis. Vor acht oder in einhundert Jahren” stand die Autorin auf der Shortlist für den Literaturpreis Text & Sprache 2022. Für ihren aktuellen Roman “Chimäre” erhielt sie den Kreationsbeitrag von Pro Helvetia, zudem war das Buch von September bis November 2025 auf der ORF-Bestenliste vertreten. Als “überaus geglückten Versuch, unser Leben in lauter Sprachmetamorphosen zu übersetzen” bezeichnete etwa Ronald Pohl in “Der Standard” Kuratles Neuerscheinung. “Sarah Kuratles Roman ist ein großes Geflecht aus einer schlichten Kunstsprache mit wunderbaren Satzperlen”, meinte Tim Felchlin (SRF Kultur).

Akt der Liebe
In der Stadtbibliothek gab Sarah Kuratle nun Kostproben ihres neuen Romans und das Publikum konnte sich ein eigenes Bild vom besonderen Sprachstil der in Vorarlberg lebenden Autorin machen. Zuvor gewährte sie im Gespräch mit Bibliotheksmitarbeiter Peter Ladstätter einen Einblick in ihre Arbeits- und Gedankenwelt. Ob Schreiben – wie es etwa Umberto Eco formulierte – für sie ein Akt der Liebe sei, wollte er wissen. “Wenn ich die Liebe zur Sprache und zu den Worten nicht hätte, dann würde ich nicht schreiben. Ich entwickle aber auch immer eine gewisse Liebe für die Hauptfiguren in meinen Romanen”, meinte Sarah Kuratle. Fast drei Jahre habe sie an Chimäre gearbeitet, erzählte sie, und sprach über die Herausforderung, den richtigen ersten Satz zu finden.

Dystopisches Wunderland
Anschließend las Kuratle einige Passagen aus ihrem Roman vor, den sie als “Buch, das sich der Vielfalt widmet, beziehungsweise dem Verlust der Vielfalt” bezeichnet. Er handelt von einer kleinen Inselgemeinschaft aus Lehrenden und Lernenden, die um den Erhalt der Artenvielfalt kämpft. In hängenden Gärten und lebendigen Zeichnungen versuchen sie, Leben festzuhalten, das zu verschwinden droht. Im Mittelpunkt steht Alice, die sich auf der Insel als Alois ausgibt und sie schließlich verlässt, um auf dem Festland nach Jahren der Unterdrückung ihre eigene Identität und ihre Grenzen auszuloten. Ihr Freund Gregor bleibt zurück; traumatisiert von früheren Erlebnissen sucht er Halt im Zeichnen, während eine Fremde langsam Zugang zu ihm findet. Parallel zu Alices Wanderung durch trockengelegte Landschaften gerät Gregors Welt zunehmend ins Wanken – ein Spannungsbogen, der die Verwobenheit von Leben, Verlust und Neubeginn sichtbar macht. Der Roman erzählt abwechselnd aus Gregors und aus Alices Perspektive.

Persönliche Widmungen
Musikalisch umrahmt wurde die Lesung von Eva-Maria und Clemens Lins. Im Anschluss nutzten viele Besucher die Gelegenheit, sich am Buchtisch von Barbara Sohm von der Buchhandlung Rapunzel mit Chimäre einzudecken und das Buch von der Autorin signieren zu lassen. LCF

