Hartherzige Knauserer
Was Bund und Länder mit dem seit mehreren Jahren geplanten neuen Kinder- und Jugendhilfegesetz bisher vollbrachten, ist nicht unbedingt eine Glanzleistung funktionierender Kooperation. Streitpunkt sind die Mehrkosten, die den Ländern durch die vorgesehene Erhöhung der Standards in der Jugendfürsorge erwachsen werden. Auf Grund des geplanten Bundesgesetzes müssten nämlich mehr Sozialarbeiter eingestellt werden.
Die vom Bund angenommenen 4 Millionen Euro Mehrkosten sind sicherlich ein beachtlicher Betrag, vor allem, wenn man bedenkt, dass sich solche Schätzungen üblicherweise an der untersten Grenze der möglichen Bandbreite bewegen. Wenn man hingegen die volkswirtschaftlichen Kosten bedenkt, die die Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen und der Verlust ihrer Lebenschancen verursachen, kann sich diese Investition durchaus lohnen. Von den menschlichen Schicksalen gar nicht zu reden.
Der Bund schiebt den Ländern die Schuld an der Blockade des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes zu. Das ist aber nur bedingt richtig. Abgesehen davon, dass es wohl nur noch zwei oder drei Länder sind, die das Gesetz ablehnen, haben diese nämlich gar keine rechtlichen Möglichkeiten, das Vorhaben zu verhindern. Das Parlament in Wien müsste das Gesetz nur beschließen und die Länder wären verpflichtet, es umzusetzen.
Wenn der Bund das bisher unterlassen hat, dann nur deshalb, weil er befürchtet, von den Ländern wegen der Mehrkosten vor dem Verfassungsgerichtshof geklagt zu werden und den Prozess am Ende zu verlieren. Letztlich geht es also auch dem Bund um das Geld und der Vorwurf an die Länder, sie würden blockieren, ist eigentlich scheinheilig.
Es ist schon bemerkenswert, dass es während mehrerer Jahre nicht gelungen ist, über die Aufteilung der Summe Einigung zu erzielen, während man in anderen Angelegenheiten, wo offenbar stärkere Interessengruppen am Werk sind, meistens viel schneller zu einem Ergebnis gelangt. Es ist auch erstaunlich, dass es Bund und Ländern ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich gleichgültig ist, in der Öffentlichkeit als hartherzige Knauserer dazustehen.
peter.bussjaeger@vn.vol.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Vorarlberger Landtages und
leitet das Institut für Föderalismus in Innsbruck.
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