Streiflicht: So kann das weitergehen
Sitze auf einer überdachten Terrasse im Lindauer Hafen, und mein Blick verliert sich im regenverhangenen See, ehe er sich einem sündhaft üppigen Tortenstück zuwendet. Auf dem Lautsprecher perlt feiner Jazz. Aus dem Gemurmel über den anderen Tischen weht dann und wann ein Wortfetzen in einer anderen Sprache herüber. Ein Gast bezahlt. Er treibt einen Scherz. Der Kellner lächelt angemessen. Eine ältere Dame reckt ihren Arm in die Höhe, aber er sieht sie nicht. Schon ist die Kollegin zur Stelle mit einer Decke und dem erbetenen Grog, der die blassen Wangen zum Leben erweckt. Die letzten Wespen machen sich am Deckel einer silbernen Zuckerdose zu schaffen, als wollten sie darin überwintern. Und da denkt man sich: So kann das weitergehen.
Wie armselig! Fällt Dir wirklich nicht mehr ein, wenn so eine umfassende Zufriedenheit den Körper durchströmt? Wenn Deine Augen plötzlich jede Nuance in den Nebelschwaden über dem See wahrnehmen? Wenn Du wildfremde Menschen durch Deine stille Heiterkeit dazu verleitest, Dich anzulächeln? Wenn Du Dich dabei ertappst, den Insekten ein paar Zuckerkrümel auf den Tisch zu streuen und der Kellner in stiller Übereinkunft das kleine Buffet mit dem Wischtuch verschont? Dann fällt Dir nichts weiter ein als „So kann das weitergehen“? Nein. Nichts weiter. Wie fundamental änderte sich doch die Welt, wenn es nur einfach so weiterginge.
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