„Wir sind ein idealer Studienfall“

Von Gesamtschule bis Zentrumsgestaltung – Lustenau steckt voller spannender Vorhaben.
Lustenau. In der größten Marktgemeinde Österreichs stehen in den kommenden Jahren wegweisende Entscheidungen an. Wird Lustenau die erste Modellregion für eine Gesamtschule? Kommt eine Entlastungsstraße? Wird ein neues Stadion gebaut? Wird das Rhein-Umland zur ökologischen Naherholungszone mit Hochwasserschutz-Funktion? Bürgermeister Kurt Fischer gibt im VN-Interview Antworten auf diese und andere Fragen.
Welches Thema beschäftigt Sie derzeit am meisten?
Kurt Fischer: Die herausforderndste Aufgabe ist im Moment die Zentrumsgestaltung. Wie machen wir 2013 weiter? Wie kommen wir zu einer Masterplanung, bei der sich auch abzeichnet, wie man in die Umsetzung kommt. Wir müssen bald einen Projektleiter bestimmen, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Ich habe keine Lust auf ein Konzept, das wieder in einer Schublade landet.
Ein heiß diskutiertes Thema ist das Forschungsprojekt Gesamtschule, wo Sie sich mit der neuen Schullandesrätin weit hinausgelehnt haben. Jetzt sehen Sie sich einer Verweigerungsfront des Gymnasiums gegenüber. Wie soll das alles weitergehen?
Fischer: Wichtig ist, ins Gespräch zu kommen. Bernadette Mennel wird Ende dieses Monats mit Vertretern des Gymnasiums reden. Da geht es dann um Grundsätzliches. Eine wissenschaftliche Analyse der Ausgangssituation wird folgen. Lustenau ist ja mit seiner Vielfalt an Schulen wahrscheinlich ein idealer wissenschaftlicher Studienfall. Man muss aber trotzdem die Größe der Modellregion offenlassen. Diese A-priori- Verweigerung des Gymnasiums kann man aber so nicht hinnehmen. Das ist ein handeln nach dem Motto: Der Status quo muss bleiben, bitte stört uns nicht. Das geht nicht.
Muss man nicht allen Beteiligten reinen Wein einschenken und sagen: Sollte eine Gesamtschule getestet werden, dann kann es parallel dazu keine eigene AHS-Unterstufe mehr geben?
Fischer: Also für mich ist klar: Ein authentisches Testergebnis für eine Gesamtschule bekommt man nur, wenn es keine Alternative dazu gibt und dort wirklich alle Kinder vertreten sind. Aber es muss ja alles wohlvorbereitet werden. Genauso will ich wissen, was wir den 14-Jährigen an weiterführenden schulischen Entwicklungsmöglichkeiten bieten können. Da ist dann auch ein Gymnasium mit entsprechenden Angeboten für die Oberstufe gefordert.
Thema „Rhesi“. Wie kann es am Rhein sowohl Hochwasserschutz als auch die Gewährleistung der Wasserversorgung durch die wegen des Projekts gefährdeten Brunnen geben?
Fischer: Ich stehe hundertprozentig zu einem effizienten Hochwasserschutzprojekt mit einem ökologischen Nutzen, was auch die Schaffung eines attraktiven Naherholungsgebietes beinhaltet. Wir müssen es gleichzeitig schaffen, die Wasserversorgung auf dem gewohnt hohen Niveau zu gewährleisten. Deswegen wird die Brunnenproblematik jetzt auch genau geprüft. Zwei Fragen stehen für Lustenau dabei im Vordergrund: Können die Brunnen vielleicht trotz der geplanten Veränderungen am Rhein gehalten werden? Und gibt es eventuell Alternativen zu unseren zwei Brunnen? Ich erwarte mir innerhalb eines Jahres Antworten auf diese Fragen, sodass bald auch eine endgültige Variante für den Hochwasserschutz auf dem Tisch liegen kann.
Das Thema „Rhesi“ führt automatisch zum Reichshofstadion, das in seiner Nutzungsbreite durch den Hochwasserschutz betroffen wäre. Die Trainingsplätze und Parkplatzmöglichkeiten im Rheinvorland fielen weg. Gibt es zum Bau eines neuen Fußballstadions eigentlich auch wirtschaftlich noch eine sinnvolle Alternative?
Fischer: Natürlich wäre der Bau eines neuen, multifunktionalen Stadions im Bereich vom Millennium Park die beste Alternative. Aber dazu brauchen wir einen funktionierenden Wirtschafts- und Finanzplan. Lustenau kann ein solches Projekt sicher nicht finanzieren. Wir brauchen Partner aus der Privatwirtschaft, dem Land, dem Bund. Ich kann nur sagen: Wir sind unter der Federführung von Alex Nussbaumer von ZIMA permanent am Sammeln und Analysieren der Daten. Wir wollen bis in den Sommer hinein in dieser Frage eine Grundsatzentscheidung haben. Das wäre auch ein schöner Zeitpunkt, sollte die Austria in die Bundesliga aufsteigen. Allerdings: Es gibt auch die Alternative Adaptierung Reichshofstadion. Eine Alternative jedoch, die uns nie – das sage ich ehrlich – Freude bereiten würde. Hätten wir ein Drittel jenes Geldes, das man zum Bau des praktisch nicht mehr genutzten Stadions Klagenfurt gebraucht hat, dann würden wir in Lustenau ein wunderbares Landesstadion bauen.
Was kann die Austria als Soforthilfe von der Gemeinde erwarten, sollte der Aufstieg tatsächlich gelingen?
Fischer: Die volle Unterstützung dafür, dass man in Lustenau Bundesliga-Fußball spielen kann.
Wird die Gemeinde auch dem FC in seiner misslichen finanziellen Situation helfen?
Fischer: Der FC bereitet mir Sorgen. Wir sind jederzeit gesprächsbereit, wenn die Verantwortlichen auf uns zukommen. Aber was dort in nächster Zeit passiert – darüber traue ich mich keine Einschätzung abzugeben.
Still ist es derzeit um die geplante Entlastungsstraße durchs Ried geworden.
Fischer: Ja, weil die genauen Untersuchungen über Naturschutz und Geologie im Ried laufen. Da werden wir in diesem Jahr noch keine Entscheidung haben, weil diese Prüfungen alle Jahreszeiten umfassen müssen. Aber glauben Sie mir: Dieses Thema lässt mich oft nicht gut schlafen. Weil ich weiß, wie immens wichtig eine wirkungsvolle Entlastung für unsere Gemeinde ist.
Man nennt Sie ob Ihrer zahlreichen Auftritte in den sozialen Internet-Netzwerken schon den Facebook- und Twitter-Bürgermeister. Ist die Frequenz Ihrer Auftritte dort nicht etwas zu hoch?
Fischer: Das finde ich nicht. Erstens bin ich ein Internet-Freak. Zweitens trete ich dort mit vielen Bürgern viel leichter in Kontakt. Drittens pflege ich diese Kontakte nicht in meiner Dienstzeit und trete dort auch nie politisch auf.
Lustenau
» Einwohner: 21.500
» Fläche: 22,25 km2
» Budget: 68,5 Millionen Euro
» Pro-Kopf-Verschuldung: 2955 Euro
» Bürgermeister: Kurt Fischer (ÖVP)