Straße darf Ried nicht entwässern

Vorarlberg / 10.09.2013 • 21:44 Uhr
Die Streuwiesen sind laut Thomas Ellmauer ein ökologischer Schatz. Foto: VN/Steurer
Die Streuwiesen sind laut Thomas Ellmauer ein ökologischer Schatz. Foto: VN/Steurer

Streuwiesen und Riedstraße: Kann das funktionieren? Ein Experte prüft das derzeit.

Lauterach. Das Ried steckt auch im Spätsommer voller Leben. Dazu gehört dieser Tage auch ein Herr, der sich mit Fahrrad samt Literatur am Gepäcksträger über Flora und Fauna durch das Naturjuwel bewegt. Vegetationskundler Dr. Thomas Ellmauer (48) macht das jedoch nicht zum Vergnügen. Er wurde von der Asfinag als Experte für die Untersuchung der Streuwiesen, auch Pfeifengras genannt, engagiert. Nach den Baugrundanalysen und den Bestandsaufnahmen über die Tierwelt zählt der Zustand der Streuwiesen zu jenen Faktoren, die für eine Entscheidung pro oder kontra Bau einer Straße durchs Ried auschlaggebend sein werden.

Pflanzenvielfalt

Ellmauer konzentriert seine Untersuchungen vor allem auf das Lauteracher Ried. Dort, wo die favorisierte Trasse der Z-Variante verlaufen würde. „Die Gegend hier ist österreichweit ein Hotspot für Pfeifengras“, erklärt der Niederösterreicher. Streuwiesen würde diese spezielle Form der Vegetation auch deswegen genannt, „weil das Gras zwar kaum Futterwert hat, früher aber sehr häufig für die Einstreuung von Tierställen verwendet wurde“. Nachdem Stroh in den letzten Jahren erheblich teurer wurde, habe die Streue heute wieder an wirtschaftlichem Wert für die Landwirtschaft gewonnen. Warum diese Streuwiesen grundsätzlich von ökologischer Bedeutung sind? „Weil sie unter dem Boden sehr nährstoffhaltig sind, dadurch eine Vielfalt an gefährdeten Pflanzenarten hervorbringen und auch Lebensraum für Vögel wie den Großen Brachvogel und den Wachtelkönig sind“, informiert Ellmauer.

Klare Fragen

Der für sämtliche Untersuchungen im Zusammenhang mit einem möglichen Verbindungsstraßenbau zuständige Asfinag-Mann Günter Fritz (43) bestätigt die Bedeutung der Untersuchungen. „Alles, was hier an Ergebnissen zusammengetragen wird, ist grundlegender Bestandteil sämtlicher Planungen.“ Das Streuried ist ein Gradmesser für den Grundwasserspiegel. Die von Ellmauer gemachten Untersuchungen sollen vor allem drei Fragen beantworten: Welche naturschutzfachlich bedeutsamen Flächen sind betroffen? Wie sind diese Flächen auf Basis von Vegetation und Biotopen zu typisieren? Wie ist der Zustand der Flächen – zum Beispiel in Bezug auf den Wasserhaushalt und in Zusammenhang mit der Bewirtschaftung umliegender Flächen?

Neue Chancen für Natur

Der Erhalt eines möglichst hohen Grundwasserspiegels im betroffenen Riedgebiet muss eines der vordringlichen Ziele für die Straßenbauer sein – so es kein Killerargument gegen den Bau einer Straße gibt. „Wir brauchen genaueste Informationen, um zu wissen, was wir wie und wann bauen könnten“, sagt Günter Fritz. Die grundlegende Beschaffenheit des Riedgebiets sollte sich auf keinen Fall ändern. „Das Ried war immer eine Moorlandschaft, aus der Torf gewonnen wurde. Gehen die Streuwiesen verloren, kommt es zu einer Mineralisierung des Torfkörpers. Dies hat eine Freisetzung von Kohlendioxid zur Folge. Dann wäre alles, was hier passiert, ein klimafeindlicher Prozess“, stellt Ellmauer klar. Andererseits sieht er gerade im Falle eines Straßenbaus auch Chancen für die Riedlandschaft. „Wenn nämlich, was vorgesehen ist, andere Verkehrswege aufgelassen werden, tun sich neue Möglichkeiten für die Natur auf.“

Die Streuwiesen ermöglichen das Leben einer Vielfalt von Pflanzenarten.

Thomas Ellmauer, Vegetationsexperte