Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Das freie Mandat

Vorarlberg / 30.01.2014 • 20:40 Uhr

Es ist fast immer ein gutes Zeichen, wenn sich Claus Raidl, ehemals Manager eines Stahlunternehmens, nunmehr Präsident der Nationalbank, über die Länder ärgern muss. Das kommt nämlich meistens dann vor, wenn die Länder zeigen, dass sie bereit sind, eigene Wege zu gehen.

Auch diesmal war es nicht anders: Vor ein paar Tagen kritisierte Raidl in einem Interview die Bestrebungen der Landeshauptmänner von Salzburg, Tirol und Vorarlberg, im Bildungswesen Modellregionen einzurichten, als „Egozentrik der Föderalisten“. Und überhaupt hätten die Landeshauptleute keine Ahnung in diesen Dingen. Dieser ins Persönliche zielenden Kritik kann man entgegenhalten, dass Bildungsfragen selbstverständlich die Interessen der Bevölkerung und der Wirtschaft in den Ländern und ihre Zukunft in höchstem Maße berühren. Aber das interessiert Raidl wohl nicht.

Viel interessanter war ohnehin eine andere Bemerkung: Claus Raidl hält es nämlich für „verfassungsrechtlich bedenklich“, wenn, wie unlängst geschehen, Abgeordnete aus den Ländern im Parlament sich den Anweisungen ihrer Klubführung widersetzen. Es ist bezeichnend, dass die Verfassung ausgerechnet in einem solchen Fall ins Spiel gebracht wird. Immerhin sind Abgeordnete, die ja in den Wahlkreisen in den Ländern gewählt werden, Vertreter der Bevölkerung in diesen Ländern. Es wäre daher nur richtig und legitim, wenn sie ihr Abstimmungsverhalten auch danach ausrichten. Verfassungsrechtlich geschützt ist nämlich in erster Linie das freie Mandat und nicht die Meinung der jeweiligen Bundespartei.

Wenn sich also Abgeordnete endlich ein Stück weit von der Führung ihrer Nationalratsklubs und von ihren Bundesparteien emanzipieren, kann dies nur im Interesse des Parlamentarismus liegen. Das trägt nicht nur zur Aufweichung der starren Parteigrenzen bei, sondern stärkt auch die Rolle des Parlaments gegenüber der Regierung. Schön wäre es halt, wenn diese kleine Emanzipation von Abgeordneten nicht bloß bei einer Partei des Nationalrats zu finden wäre, sondern auch andere Parteien das freie Mandat entdecken und nicht nur davon reden würden.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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