„Skigebiet als Tourist sehen“

Insgesamt 18 Seilbahnunternehmen rittern um das begehrte Pistengütesiegel.
Brand. (VN-mm) Die Föhnstürme der vergangenen Tage haben auch an der Sicherheit gezerrt. Das orange Polster, das den Pfosten des Zauns abdecken soll, hängt lasch in den Schnee. Schon heftet sich der Blick von Edwin Fritz an diesen Mangel. Nichts entgeht dem Leiter der Pistengütesiegelkommission, wenn er ein Skigebiet unter die Lupe nimmt. Gestern war Brand an der Reihe. Das Fazit nach 55 kontrollierten Pistenkilometern darf den Geschäftsführer der Bergbahnen, Markus Comploj, freuen. „Das Skigebiet befindet sich in erstklassigem Zustand“, urteilt Fritz. Einer neuerlichen Zertifizierung mit dem „Vorarlberger Pistengütesiegel“ steht nichts im Weg.
Markierung und Sicherung
Derzeit durchlaufen 18 Seilbahnunternehmen mit 20 Bergbahnen diesen Prüfungs- und Zertifizierungsprozess. Seit nahezu 35 Jahren begutachtet Edwin Fritz gemeinsam mit 18 weiteren Fachleuten die Pisten und Routen nach Richtlinien, die vom Land und der Fachgruppe Seilbahnen vorgegeben sind. Dabei wird vor allem auf eine ordnungsgemäße Markierung und Sicherung der Abfahrten geachtet. Ebenso müssen die Schwierigkeitsgrade einer Piste stimmen. „Eine blaue Piste darf nicht mehr als 25 Prozent Gefälle aufweisen, eine rote nicht mehr als 40 Prozent“, nennt Fritz als Beispiel. Außerdem prüft die Kommission, ob eine ausreichende Warnung vor Gefahren besteht. „Das gilt insbesondere für Kreuzungsbereiche und Engstellen“, erläutert Peter Both, der als Vertreter des Skiverbands die Pisten regelmäßig abfährt.
Rechtssicherheit
Wichtig ist den Prüfern außerdem die gute Orientierung mittels Hinweistafeln. Fritz: „Auch ein Hamburger, der sich zum ersten Mal im Skigebiet aufhält, muss problemlos hinunterfinden.“ Deshalb ist den Kontrolleuren dichter Nebel bei ihren Inspektionsfahrten am liebsten. Allerdings lasse sich nicht jede Grube oder jeder Baum absichern, betonen die Experten und verweisen mit Nachdruck auch auf die Eigenverantwortung der Wintersportler. Während diesen das Pistengütesiegel größtmögliche Qualität garantiert, bringt es den Seilbahnen ein Stück Rechtssicherheit. Immer wieder einmal müssen nämlich die Gutachten der Kommission als Beweis in Rechtsstreitigkeiten herhalten. Angezeigt werde heutzutage ja fast alles, weil jeder eine Rechtsschutzversicherung habe, so Edwin Fritz.
Keine Gefälligkeiten
Die Prüfungen erfolgen jährlich. Die Erstkontrolle wird angemeldet, die Nachkontrolle nicht mehr. Mit dabei sind auch Betriebsleiter anderer Skigebiete. Gefälligkeitsgutachten gebe es deshalb jedoch nicht. Im Gegenteil. „Die schauen einander genau auf die Finger“, versichert Peter Both. Und Markus Comploj spricht von einem „Konkurrenzgeist“, der geweckt werde. Edwin Fritz merkt der Ordnung halber noch an: „Man muss das Skigebiet wie ein Tourist sehen.“
Saisonale Begleitung
Für die Zukunft ist geplant, die Skigebiete über die ganze Saison zu begleiten. „Dabei wird ein Kommissionär wiederholt das Gebiet durchfahren und einen bestehenden Verbesserungsbedarf noch vor Ort beim Betriebsleiter einfordern“, kündigte der Kommissionsleiter an. Das soll die Qualität nicht nur durch eine Momentaufnahme, sondern über die gesamte Saison hinweg gewährleisten. Derzeit werden festgestellte Probleme protokolliert und dann mit der Aufforderung zur Behebung an die Seilbahngesellschaft weitergeleitet.
Da alle Kommissionsmitglieder ehrenamtlich tätig sind, kostet die Zertifizierung die Seilbahnunternehmen lediglich 330 Euro. Kleinere Skigebiete können die „Vorarlberger Pistenprüfplakette“ erwerben. Doch bislang hat noch keines an dieser Auszeichnung Interesse gezeigt.
Es ist nicht möglich, jede Grube und jeden Baum abzusichern.
Edwin Fritz
