Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Ahnungslose Abgehobenheit

Vorarlberg / 08.05.2014 • 19:35 Uhr

In der „Pressestunde“ vom vergangenen Sonntag hat die Spitzenkandidatin der NEOS für die Europawahlen, Angelika Mlinar, in gewohnt lockerer Manier davon geredet, dass die Länderebene „obsolet“ sei, also abgeschafft gehöre. Unlängst, so habe ich den Parteigründer noch in Ohren, sollten es die Nationalstaaten sein, die Vereinigten Staaten von Europa weichen sollten. Das ist anscheinend Schnee von gestern. Heute schaffen wir die Länder ab.

Dass im Rest Europas ganze Staaten vor dem Zerfall stehen, weil sie ihren Regionen zu wenig Autonomie verleihen, muss eine angehende Europaabgeordnete ja nicht interessieren. Wir wollen zu ihren Gunsten auch davon ausgehen, dass sie einfach nicht lange genug nachgedacht hat, weshalb sie beispielsweise mit den Ländern die Ebene im Staat abschaffen will, die im Gegensatz zum Bund praktisch ausgeglichen bilanziert. Über das Land Vorarlberg, das finanziell bestens aufgestellt ist, muss man schon gar nicht reden.

Wissen sollte sie allerdings, dass das Subsidiaritätsprinzip zu den tragenden Grundsätzen der Europäischen Union gehört. Weshalb ihm in der Praxis viel zu wenig Rechnung getragen wird, hat Frau Mlinar mit ihrer Aussage deutlich gezeigt: Weil zu viele Abgeordnete, die europäische Gesetze beschließen, in ihrer ahnungslosen Abgehobenheit nicht das geringste Interesse haben, Macht nach unten abzugeben. Für sie sind die Ebenen, die näher am Menschen und näher an der Sache sind als sie selbst, einfach überflüssig.

Im Angesicht der kommenden Landtagswahl im Herbst haben die Vorarlberger NEOS als Reaktion auf die Aussagen Mlinars immerhin zu erkennen gegeben, dass sie eigentlich doch eine Stärkung des Landes bevorzugen würden. Nur wenn das nicht funktioniert, wollen sie die Landesebene abschaffen. Somit bleibt ihnen wenigstens vorläufig erspart, im Falle ihrer Wahl in den Landtag sofort einen Antrag auf Selbstabschaffung des Landtages stellen zu müssen.

Von Frau Mlinar werden wir allerdings, was eine Stärkung der regionalen Ebene in Europa betrifft, wenig Unterstützung erwarten dürfen.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
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