Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Hüter der Verfassung?

Vorarlberg / 22.05.2014 • 20:58 Uhr

Unser Bundespräsident hat sich besorgt über die Macht der Bundesländer geäußert, die in den letzten 40 Jahren deutlich stärker geworden seien. Gleichzeitig wünscht er sich zum 100. Geburtstag der Republik eine neue Verfassung, in der Vorschläge aus dem Österreich-Konvent umgesetzt würden, „auch wenn einzelne Länder skeptisch sind“ (er meint natürlich insbesondere Vorarlberg).

Der Bundespräsident, der eigentlich der „Hüter der Verfassung“ sein sollte, stellt also genau diese Verfassung in Frage. Und er macht kein Hehl daraus, dass er sich mehr Zentralisierungen wünscht, wenn er von den Vorschlägen aus dem Österreich-Konvent spricht. Dabei war im Konvent sehr wohl auch von einer Stärkung der Landtage und einer Aufwertung des Bundesrates die Rede. Ebenso übrigens vom Ausbau der direkten Demokratie, die in den Ländern schon heute erfolgreicher praktiziert wird als im Bund. Auch das scheint ihm – dem direkt Gewählten – kein Anliegen zu sein. Man fragt sich, ob sich der Bundespräsident ernsthaft einen Staat wünschen kann, in dem nur noch zentral geführte Bundesparteien das Sagen haben.

In einer Sache hat er freilich recht: Die Landeshauptleute sind heute stärker als früher. Aber das hat überhaupt nichts mit der Verfassung zu tun, sondern mit der Schwäche der – übrigens vom Bundespräsidenten ernannten – Bundesregierungen. Verfassungsrechtlich betrachtet sind die Länder dagegen vor allem wegen des schwachen Bundesrates nach wie vor der Übermacht des Bundes ausgeliefert.

Die Kritik des Bundespräsidenten an der Macht der Länder wäre überzeugender, wenn er dann und wann auch ein kritisches Wort zu Bestrebungen des Bundes verloren hätte, die Länder kompetenzmäßig zu beschneiden oder finanziell auszuhungern. Keine Reaktion gab es auch, als der Bund wieder einmal Reformen verhinderte – etwa bei der Schulverwaltung – oder an seinen eigenen großen Reformvorhaben scheiterte – etwa bei einem wirklich modernen Lehrerdienstrecht.

Statt sich nach Zeiten vor 40 Jahren mit schwachen Ländern zu sehnen, wäre der Hüter der Verfassung besser beraten, alle Beteiligten – Bund und Länder – zu mehr Reformanstrengungen zu ermahnen.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus in Innsbruck.
Die VN geben Gastkommentatoren Raum, ihre persönliche Meinung zu äußern.
Sie muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.