Am See darf gefrackt werden

Der Schweizer Kanton Thurgau will die Gas-förderung mittels Fracking nicht verbieten.
BREGENZ, Frauenfeld. Fracking steht auf der Beliebtheitsskala der Vorarlberger ganz unten. 61.300 Personen unterzeichneten Anfang des Jahres eine Petition der VN, VOL.AT, Land Vorarlberg und Grüne gegen Fracking. Der Landtag beschloss einstimmig ein Verbot, auch zum Schutz des Bodensees. Fracking würde, so die landläufige Meinung, eine Gefahr für das Trinkwasser und den See darstellen. Bisher sah es danach aus, als würden sich dem Verbot alle Bodensee-Anrainerstaaten anschließen. Der Kanton Thurgau schwenkt nun um. Fracking bleibt erlaubt, wenn auch mit strengen Auflagen. Bei Vorarlbergs Politikern ernten die Kollegen aus der Schweiz dennoch durchwegs Unverständnis.
Mit Umweltauflagen
Die Energiewende ist in aller Munde, auch in der Schweiz. Der Kanton Thurgau baut dabei auf Geothermik (Erdwärme). Um Strom gewinnen zu können, muss dafür fünf Kilometer tief gebohrt und die Gesteinsschichten aufgebrochen werden. Ein Verfahren, dass auch beim Fracking verwendet wird. Der Gesetzgeber befürchtet, dass durch ein generelles Fracking-Verbot auch der Geothermik ein Riegel vorgeschoben werden könnte. Im Entwurf zum neuen Gesetz wird die Schiefergasförderung mittels Fracking also nicht verboten, sondern nur reguliert, wie Carmen Haag, Umweltdirektorin des Kantons, in einem Interview mit dem Schweizer Radiosender SRF 1 erklärt: „Es wird keine Konzession für Unternehmen geben, welche die strengen Umweltauflagen nicht erfüllen.
Müssen die Anrainerstaaten des Bodensees nun Angst um ihr Trinkwasser haben? Carmen Haag beruhigt: „Wir wollen mit dem neuen Gesetz die Gefahren eliminieren. Fracking kann auch umweltfreundlich betrieben werden. Wir haben verboten, umweltschädliche Stoffe zu verwenden. Bevor wir bei einer Substanz nicht sicher sind, dass sie der Umwelt nicht schadet, erteilen wir keine Konzession.“ Gasfracking würde es in naher Zukunft trotzdem nicht geben: „Uns geht es um die Geothermik.“
Eine Aussage, die im frackingkritischen Vorarlberg nicht gerade Freudensprünge verursacht. Adi Gross, Klubobmann und Energiesprecher der Grünen, meint: „Mit Sorge beobachten wir die Entwicklungen im Kanton Thurgau. Bisher bestand unter den Bodensee-Anrainerländern weitgehend Einigkeit, dass Fracking nicht eingesetzt werden soll. Dass Thurgau jetzt eine lasche Regelung vorschlägt, ist enttäuschend, dagegen müssen wir uns wehren.“ Carmen Haag sagt dazu: „Vielleicht braucht es noch etwas Aufklärungsarbeit.“ Ganz kann sie den Ärger aus Vorarlberg nicht verstehen: „Es geht um die Begrifflichkeit. Im Grunde wollen wir alle dasselbe, nämlich die chemischen Stoffe verbieten.“
Geschlossen dagegen
Die Umweltsprecher der Vorarlberger Parteien bleiben bei ihrer Meinung. Bernhard Feuerstein von der ÖVP spricht Klartext: „Ein klares Nein zu Fracking. Das Trinkwasserreservoir ist einfach zu kostbar.“ Christoph Bitschi von der FPÖ ist nicht minder eindeutig: „Ein generelles Nein zu Fracking. Wir müssen schauen, dass wir von den fossilen Energieträgern wegkommen, anstatt diese künstlich am Leben zu erhalten.“ Und Reinhold Einwallner von der SPÖ glaubt nicht daran, dass es umweltfreundliches Fracking gibt: „Das ist wie „clean Atomkraft“. Das Restrisiko ist einfach zu hoch.“ Adi Gross wiederholt in diesem Zusammenhang die Forderung, dass „ein Frackingverbot in den bestehenden Staatsvertrag der Bodensee-Anrainerstaaten aufgenommen wird.“ Auch die Neos äußerten sich skeptisch. Carmen Haag versucht im Radio-Interview, die erhitzten Gemüter zu beruhigen: „Das Trinkwasser im Bodensee ist nicht gefährdet.“
Frist versäumt
Auch andernorts bleibt das Thema umstritten. Die Bundesregierungs-Parteien in Wien haben vor wenigen Tagen ein generelles Verbot abgelehnt. In Deutschland arbeitet die Regierung an einem Gesetz, das Fracking regeln soll. Sogar ein zeitlich befristetes Teilverbot steht zur Diskussion. Bis 3000 Meter Tiefe soll Fracking generell verboten werden. In Baden-Württemberg könnte das Erdgas-Unternehmen Parkyn Energy Germany bald die Erkundungskonzession verlieren, weil es die Erklärungsfrist im August versäumt hat. Zur Freude von Adi Gross: „Wir brauchen kein Fracking. Wir haben genug Möglichkeiten, den Energieverbauch zu reduzieren.“
Wir brauchen kein Fracking, es gibt andere Möglichkeiten.
Adi Gross
