„Es ist sehr viel Positives möglich“

Vorarlberg / 04.11.2014 • 20:24 Uhr
„Es ist sehr viel Positives möglich“

Ursula Rapp glaubt an die Kraft des Wissens zur Förderung religiösen Verständnisses.

Feldkirch. Ursula Rapp (50) und Aglaia Maria Mika (31) treten in große Fußstapfen. Sie haben gemeinsam die Nachfolge der vor einem halben Jahr verstorbenen Elisabeth Dörler (54) als Islambeauftragte der katholischen Kirche Vorarlbergs übernommen.

Im VN-Interview spricht Ursula Rapp vom Islam als einer Religion mit „viel theologischer und religiöser Tiefe“. Sie betont die Friedfertigkeit der großen Mehrheit aller Muslime und fordert einen verantwortungsvollen Umgang mit der Weltreligion. Vor dem Hintergrund der Gräueltaten der Terrororganisation Islamischer Staat hätte sie jedoch heftigere öffentliche Proteste von muslimischen Gruppen nicht ungern gesehen.

Wie schwer ist es in Zeiten wie diesen, Islambeauftragte der katholischen Kirche zu sein?

Rapp: Es ist anspruchsvoll und absolut herausfordernd. Schwer ist das falsche Wort. Ich lerne selber viel dabei. Ich habe zu vielen Leuten Kontakt, zu denen ich vorher keinen Kontakt gehabt habe. Ich merke, dass viel Positives möglich ist. Daraus lässt sich es auch in diesen Tagen in dieser Funktion gut leben.

Was reizt Sie an Ihrer Aufgabe?

Rapp: Ich bin schon sehr lange interreligiös interessiert. Ich habe auch Judaistik studiert, oft an interreligiö­sen Dialogen in mehreren Ländern teilgenommen. Der Islam hat begonnen, mich wegen seiner theologischen und religiösen Tiefe zu faszinieren. Es ist so viel da, wovon ich lernen kann. Ich bin entsetzt, wie mit dem Thema Islam bei uns politisch umgegangen wird. Dass es so wenige Ideen gibt, wie man miteinander tun kann.

Worin sehen Sie die vordringlichsten Aufgaben bei Ihrer Arbeit?

Rapp: Dass man in kleinen Kreisen miteinander redet und gut zusammenlebt, sich austauscht und gegenseitig kennenlernt, sich Wissen aneignet von der Religion des jeweils anderen, das sind alles sehr wichtige Dinge. Es geht vor allem um Bildung und Wissen.

Wer vertritt den Islam in Vorarlberg?

Rapp: Da gibt es vor allem die islamische Glaubensgemeinschaft mit Herrn Abdi Tasdögan als Sprecher.

Gibt es nicht auch andere, mit denen es nicht so leicht ist, sich auszutauschen? Die auch nicht daran interessiert sind? Erreichen Sie alle islamischen Gruppen bei uns?

Rapp: Wir werden genauso wenig alle islamischen Glaubensanhänger erreichen, wie wir alle Christen erreichen. Es kann auch nicht unser erstes Ziel sein, alle erreichen zu wollen. Unser Ziel müssen diese kleinen Zellen sein, in denen Austausch stattfindet.

Haben Sie mit Gruppen, die zur Radikalität neigen, auch schon Kontakt gehabt?

Rapp: Man müsste jetzt schon genau definieren, was man mit Radikalität meint.

Zum Beispiel Intoleranz und keine klar erkennbare Ablehnung von Gewalt.

Rapp: Ich kenne solche Menschen nicht. Auch nicht hier im Land. Ich habe zu solchen Menschen keine Kontakte. Deswegen möchte ich dazu auch nichts sagen. Für mich ist der Islam vor allem jene Religion, die der christlichen sehr nahe steht. Es spielen beim Thema Gewalt viele kulturelle, sozialpsychologische Aspekte herein. Ich bin als Theologin keine Expertin für Gewalt.

Gibt es in Vorarlberg Salafisten?

Rapp: Ganz ehrlich, ich weiß das nicht. Ich habe nichts davon gehört. Man wird das herausfinden müssen.

Hat der Islam nicht eine große Chance vertan, als man Muslime nicht weltweit auf der Straße gegen den IS protestieren sah? Was einige von ihnen sehr wohl gegen Israel taten.

Rapp: Sie hätten können und es hätte in unserer Gesellschaft wohl viel Positives bewirkt, keine Frage. Ich sehe aber auch ein, wenn Muslime sagen: Warum soll ich wegen dieser Fanatiker auf die Straße gehen? Ich habe mit denen nichts zu tun. Kommt hinzu, dass die muslimische Welt keinen allgemein akzeptierten Sprecher hat, wie die Kirche den Papst.

Was ist für Sie das Schöne am Islam?

Rapp: Die Größe und die Tiefe und die Weite des Gottesbildes. Dieses große Geheimnis Gottes, das dem Christentum im Alltag etwas abhandengekommen ist. Diese berühmten fünf Säulen, den Alltag zu heiligen, der Gemeinschaftssinn, der Zusammenhalt, die gegenseitige Verantwortung. All das imponiert mir schon sehr.

Wie sehr fühlen Sie sich dem Erbe Ihrer verstorbenen Vorgängerin Elisabeth Dörler verpflichtet, die den interreligiösen Dialog in strukturierter Form ins Leben gerufen hat?

Rapp: Es gibt nichts, das wir nicht übernehmen, was sie ins Leben gerufen hat. Wir werden sehen müssen, wie alles weitergehen kann, was sie geschaffen hat: die interreligiösen Gebete zum Beispiel oder die Kooperation mit Institutionen, die sich für Integration einsetzen. Wir werden das strukturell weiterführen. So hat sie ja auch eine große Bibliothek angelegt. Für die muss ein guter Ort gefunden werden. Da müssen die öffentlichen Zugangsmöglichkeiten überlegt werden. Auch die Zusammenarbeit mit Istanbul wollen wir fortsetzen. Natürlich müssen wir auch mit allen muslimischen Organisationen und Vereinen Kontakte knüpfen.

Sie haben Judaistik studiert. Wo sehen Sie die Möglichkeiten, Juden und Muslime zusammenzubringen.

Rapp: Politisch kann ich mich dazu nicht äußern. Ich bin Theologin. Theologisch gibt es den Schlüssel dazu natürlich, weil es eine Übereinstimmung darin gibt, dass wir alle denselben Gott anbeten und verehren.

Was können Muslime in Vorarlberg tun, um sich noch besser und friedfertiger darzustellen?

Rapp: Ich wünsche mir einfach, dass das Gute und Positive, das bereits vorhanden ist, sichtbarer wird. Wir haben da auch eine Holschuld. Wobei man natürlich auch sagen könnte: Die islamischen Vereine haben eine Bringschuld. Aber das ist nicht so leicht mit dem Migrationshintergrund. Wir wissen zum Beispiel so wenig über den Zusammenhalt von muslimischen Gesellschaften. Was Muslime für die Gesamtgesellschaft tun könnten, wäre, Angebote besser zu nützen.

Zur Person

Dr. Ursula Rapp (50)

Die aus Wien stammende Mutter dreier Kinder hat in Wien und Jerusalem unter anderem katholische Theologie, Germanistik und Judaistik studiert. Seit Oktober 2012 ist sie die Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung in Feldkirch. Im Oktober dieses Jahres übernahm sie gemeinsam mit der Schwarzacherin Aglaia Maria Mika (31) die Aufgabe einer Islambeauftragten der katholischen Kirche Vorarlbergs.