Denkzettel
Im Vorfeld der Gemeinderatswahlen in der Steiermark hatten die sogenannten „Reformpartner“ SPÖ und ÖVP, die in den vergangenen Jahren eine Reihe teilweise umstrittener Reformprojekte umgesetzt haben, mit schweren Verlusten gerechnet.
So gab es in der Steiermark bis vor Kurzem die durchschnittlich kleinsten Gemeinden Österreichs. Nach der Reform bewegen sich die durchschnittlichen Gemeindegrößen dort etwa im Rahmen jener in Vorarlberg. Mit Spannung war daher die Reaktion der Wähler auf die Gemeindestrukturreform erwartet worden.
Der befürchtete Denkzettel ist im Großen und Ganzen ausgeblieben, die Verluste von SPÖ und ÖVP zugunsten der FPÖ waren zwar deutlich, die Parteien hatten selbst offenbar Schlimmeres erwartet.
Trotzdem sprechen viele Kommentatoren vor allem in der Bundeshauptstadt bedauernd davon, dass die Wähler Reformbereitschaft abstrafen würden. Sie meinen, das steirische Ergebnis werde Politiker im Bund und in anderen Bundesländern eher davon abhalten, stukturelle Reformen in die Wege zu leiten.
Diese Einschätzung ist falsch: Wie die durchaus überschaubaren Verluste zeigen, sind die Bürger nicht so dumm, dass sie eine Regierung, die Reformnotwendigkeiten erkennt, komplett abstrafen. Zum anderen können die Wähler besser zwischen den verschiedenen Ebenen, Bund, Land und Gemeinde unterscheiden, als viele Beobachter glauben. Sie werden daher über die Gesamtleistung der „Reformpartner“ in erster Linie bei der Landtagswahl entscheiden, nicht vorher und nicht nachher.
Wähler bestrafen Reformprojekte dann massiv, wenn sie von oben aufgezwungen werden. Nicht von ungefähr wird genau eine solche Vorgangsweise in der reformerprobten Schweiz nicht toleriert. Reformen werden dort im Gegensatz zu Österreich von oben gefördert und von unten aufgebaut, aber nie von oben diktiert. Und zu guter Letzt erteilen Wähler dann Denkzettel, wenn sie das Gefühl haben, dass Bewährtes wegen geringfügiger Einsparungen aufgegeben, während anderswo Geld hinausgeschmissen wird.
Wähler bestrafen Reformprojekte dann massiv, wenn sie von oben aufgezwungen werden.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
Kommentar